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Lot 1459

Französischer Maler (19. Jh.),"Mona Lisa", Öl auf Leinwand, nach Leonardo da Vinci, 33 x 25.5 cm, verso Reste eines alten französischen Klebeetiketts mit Angaben zum Werk sowie Klebeetikett mit der Nummerierung 1201, leicht verschmutzt

Lot 1626

Nonn, Carl (Bonn 1876 - 1949 ebda., in Bonn tätiger Landschafts- und Stilllebenmaler, v.a. von Eifellandschaften),"Die Erpeler Ley bei Linz am Rhein", Öl auf Leinwand, signiert rechts unten Carl Nonn Bonn, verso bezeichnet Die Erpeler Ley bei Linz am Rhein Carl Nonn Bonn, verso Etikett der Galerie Kleinschmidt Bonn, 120 x 85 cm.Der Bonner Maler Carl Nonn unternimmt während seiner Schaffenszeit ausgedehnte Reisen in die Natur. Die Motive entstehen unmittelbar vor Ort, da sich der Künstler der Freilichtmalerei verschrieben hat. Seine Reisen führen ihn an deutsche Flüsse wie Mosel, Sieg und vor allem an den Rhein, den Fluss seiner Heimat.

Lot 2255

Modern copy of an 18th century baroque viola da gamba bow, with octagonal and fluted stick, 50gm (without hair or lapping) *Please check CITES regulations regarding export of bows containing elephant ivory prior to purchasing

Lot 441

ZWEI SCHALEN, Porzellan, in Spiegel in Emailfarben Gottheiten in einer Landschaft, Goldrand (ber.), Dm 17,5, eisenrote Bodenmarke Da Qing Tongzhi Nian, CHINA, E.19.Jh

Lot 447

ZWEI KUMMEN, Porzellan, auf der Wandung in grün und schwarz die Feuerkugel jagende Drachen, Dm 12, eisenrote Sechszeichenmarke Da Qing Tongzhi Nian Zhi, CHINA

Lot 448

BECHER, Porzellan, auf der Wandung in Emailfarben und Gold die Feuerkugel jagende Drachen und buddhistische Symbole, Goldrand, H 6,7, unterglasurblaue Bodenmarke Da Qing Guangxu Nian Zhi, CHINA

Lot 451

FAMILLE ROSE-KUMME, Porzellan, in den Farben der Famille Rose und Gold dekoriert, auf türkisgrünen Grund mit Ranken vier runde Reserven mit Blüten, Dm 10,5, unterglasurblaue Sechszeichenmarke Da Qing Xianfeng Nian Zhi, CHINA

Lot 455

FAMILLE ROSE-KUMME, Porzellan, innen und auf der Wandung Ranken, Früchte und ein Schmetterling in den Farben der Famille Rose, Dm 14, eisenrote Bodenmarke Da Qing Guangxu Nian Zhi, CHINA

Lot 456

KLEINE SCHALE, Porzellan, Unterglasurblau dekoriert, innen Zeichen für Langlebigkeit, auf der Wandung Kraniche in Wolken, metallgefasster Rand, Dm 17, minst.best., unterglasurblaue Bodenmarke Da Qing Yongzheng Nian Zhi im Doppelkreis, CHINA, 19.Jh.

Lot 460

ZWEI KLEINE TELLER, Porzellan, Unterglasurblau dekoriert, im Spiegel die Feuerkugel jagender Drache, auf der Wandung Embleme, Dm 16, einer rest., beide mit Haarriss, unterglasurblaue Sechszeichenmarke im Doppelkreis Da Ming Chenghua Nian Zhi, CHINA, 19.Jh.

Lot 477

VASE IN MEIPING-FORM, Porzellan, auf der Wandung im kräftigen Unterglasurblau zwei die Feuerkugel jagende Drachen, H 18,5, unterglasurblaue Sechszeichenmarke im Doppelkreis Da Qing Guangxu Nian Zhi, CHINA

Lot 478

ZWEI KUMMEN, Porzellan, in Unterglasurblau und Eisenrot dekoriert, im Spiegel und auf der Wandung Fledermäuse in Wolken, Dm 11,5, unterglasurblaue Bodenmarke Da Qing Guangxu Nian Zhi, CHINA

Lot 136

1 bt Churchills Dry White Port bs 1 bt Porto Cintra Royal White Port 1 bt Royal Oporto Extra Dry White sl bs 1 bt Lindemans Macquarie Very Special Wood Matured Tawny Port bs/stl 1 bt Quinta de Vale da Figueira 10 YO bottled 1995 Above five bottles

Lot 321

12 bts Dorigo da Uve Passite Rosso NV Dorigo

Lot 1182

Giovanni Battista Piranesi (1720-1778). „Veduta del Tempio di Cibele a Piazza della Bocca della Verita“ und „Veduta del Tempio di Bacco inoggi Chiesa di S. Urbano, distante due miglia da Roma fuori della Porta di S. Sebastiano“. Zwei Radierungen, in der Platte sign./bez., je hi./Gl./gerahmt, 36,5 x 59 / 38 x 61 cm. **

Lot 11

Pigment und Kunstharz auf Naturschwamm mit Metallstab und Steinfuß Gesamtmaß ca. 50,5 x 36 x 8 cm. - Mit geringfügigen Altersspuren.Mit beiliegender Bestätigung des R.U.K., Paris, per E-Mail vom 25.02.2021ProvenienzSammlung Hanns Hülsberg, Hagen; Privatsammlung, Nordrhein-WestfalenAusstellungenKrefeld 1961 (Museum Haus Lange), Yves Klein Monochrome und Feuer, Ausst.Kat.Nr.44LiteraturJulian Heynen (Hg.), Yves Klein Monochrome und Feuer, Ein Dokument der Avantgarde, Ausst.Kat. Museen Haus Lange und Haus Esters, Krefeld 1994, Kat.Nr.44, S.23 mit Installationsansichten1961 initiiert Paul Wember, Leiter des avantgardistischen Krefelder Museums Haus Lange, eine große Überblicksschau von Yves Klein, die der Künstler selbst als Gesamtkunstwerk konzipiert. In dieser legendär gewordenen Ausstellung wird in der Blauen Zone, einem allein mit monochromen blauen Bildern und Schwammskulpturen bestückten Raum, auch die hier angebotene Arbeit präsentiert. John Anthony Thwaites beschreibt in seiner Ausstellungsbesprechung überwältigt die intensive Raumwirkung: „Wenn man den ersten großen Raum vom Museum Haus Lange in Krefeld betritt, wo Yves Klein jetzt ausstellt, glaubt man, wieder am Mittelmeer zu sein. Große blaue Bilder umfangen uns, in Ton und Format identisch. Sie hängen neben Schwamm-Reliefs und Schwamm-Plastiken. Alles nur blau […] Der Eindruck von Weite ist im Zimmer, und mit ihm das, was G.K. Chesterton „the terrible tidiness of the sea“ genannt hat. Aber bereits ist diese erste Gedankenverbindung nicht mehr ausreichend. Denn etwas Feierliches kommt hinzu. Etwas, wozu der wunderbare Innenraum von Mies van der Rohe eigentlich zu real ist. Man möchte ihn ausweiten, die blaue Reihe, so weit das Auge reicht, verlängern. Und eine Cortège [Prozession] in blauen Gewändern müsste vorbeiziehen. Irgendwoher müsste ein Ton dröhnen … Aber wo denken wir hin?“ (zit. nach: Julian Heynen (Hg.), Yves Klein Monochrome und Feuer, Ein Dokument der Avantgarde, Ausst.Kat. Museen Haus Lange und Haus Esters, Krefeld 1994, S.16). Die pure Farbe als Ausdruck von geistiger Reinheit und Ursprünglichkeit, die eine schwebende, feierlich-entrückte Atmosphäre hervorruft - das ist exakt das, was Yves Klein mit kompromissloser Radikalität anstrebt. Alles Darstellerische und Kompositorische wird von Klein als störend und als traditionell abgelehnt. Die Farbe soll in vollständiger Monochromie nur sich selbst darstellen und wird zum Kennzeichen des Geistigen, Unfasslichen. Insbesondere das intensive Blau als Farbe des Himmels und der Hauptelemente Wasser, Feuer und Luft fasziniert den Künstler schon seit seiner Kindheit und fesselt ihn auch in seinem künstlerischen Fortgang in besonderem Maße. Sein Kunstschaffen ist weniger intellektuell-theoretisch begründet, sondern speist sich aus Intuition und einer religiös wie auch romantisch inspirierten Gedankenwelt. Die Suche nach einem einheitlichen Blauton von höchster Leuchtkraft, der die Intensität des reinen Pigmentes besitzt, ohne durch die Zugabe von gängigen Bindemitteln optisch verfälscht zu werden, führt zu der Entwicklung seines eigenen Blaus, einem tiefen Ultramarin, das er sich als „I.K.B. (International Klein Bleu)“ patentieren lässt und von da an zu seinem festen Identifikationsmerkmal wird. Neben monochromen Tafelbildern in I.K.B.-Blau findet Klein mit den Schwämmen ein künstlerisches Material, das seine Bestrebungen bestmöglich transportiert. Als Naturprodukt mit individueller anthropomorpher Gestalt lässt der Schwamm vielfältige Assoziationen zu, zudem ist er durch seine physiologischen Eigenschaften prädestiniert, um mit Farbe imprägniert zu werden, welche er im buchstäblichen Sinne aufsaugt. „Auch der Schwamm ist eine Manifestation der Atmosphäre; an sich schon rund und von Natur aus vollgesogen mit Wasser, wird er von Yves durchtränkt mit Blau als Ausdruck kosmischer Sensibilität.“ (Paul Wember, Yves Klein, Köln 1969, S.16). Die hier angebotene prominente Schwammskulptur kann als exemplarisch für das Schaffen Yves Kleins gelten - dem vielseitigen, radikalen Künstler, der in seinem intensiven Werk mit den Traditionen der Moderne bricht und der zeitgenössischen Kunst völlig neue Perspektiven eröffnet.

Lot 16

Acryl auf Leinwand 140 x 124 cm. Auf der umgeschlagenen Leinwand signiert und betitelt 'BLUE PAINTING Jos Marioni' sowie signiert und datiert 'JOSEPH MARIONI PAINTER 1990' und mit Material- und Maßangaben. - Mit leichten Altersspuren.ProvenienzPrivatsammlung, Belgien„Die Zurückhaltung des Künstlers ist von geradezu ethischer Bedeutung, da sie der ausgewogenen Balance des Ganzen dient. Marionis ebenso behutsame wie respektvolle Auseinandersetzung mit dem Bild, die das Wesen des Objektes anerkennt, ohne sich aufzudrängen, steht beispielhaft für einen kultivierten Umgang mit den Dingen, die uns umgeben. Das Bild wird zu einem anspruchsvollen Gegenüber, das seine eigene Position - seine eigene Präsenz hier und jetzt - behauptet. Bei aller Unmittelbarkeit der Farbwahrnehmung bewahrt es stets die Distanz, so dass sich emotionale Annäherung und verhaltene Unnahbarkeit die Waage halten. Angesichts dieser Spannungen zwischen Einfühlung und Selbstkontrolle, die dem Künstler wie auch dem Betrachter abverlangt werden, ist es selbstverständlich, wenn Marioni im Verlauf eines Interviews mehrfach hervorhebt, dass seine Malerei sehr viel mit Intimität zu tun hat - eine Intimität, die jedoch eine äußerst differenzierte ist.“ (Hannelore Kersting, Über die Radikalität von Joseph Marioni- Ein Nachwort, in: Städtisches Museum Abteiberg (Hg.), Joseph Marioni, Malerei, Mönchengladbach 1988, S.47).

Lot 25

Pastell auf Papier 23,7 x 35,5 cm Unter Glas gerahmt. Unten links mit der roten Stempelsignatur "Degas" (Lugt 658) sowie nur schwach erkennbar mit dem ovalen roten Stempel "ATELIER ED. DEGAS" (Lugt 657) versehen. - Auf Papier aufgezogen.Lemoisne 224; Michel Schulman, Edgar Degas: Digital Critical Catalogue MS-1350Wir danken Michel Schulman, Paris, für freundliche AuskünfteProvenienzAtelier Degas, 4. Vente, Nr. 49 a; Sammlung Albert Pra, Paris; Vente Pra, Paris, Hôtel Charpentier, 17. Juni 1938, Lot 13; Galerie Schmit, Paris; Privatsammlung, SchweizAusstellungenParis 1975 (Galerie Schmit), Degas, Nr. 12 ("Etude de ciel"); Paris 2005 (Galerie Schmit), Maîtres Francais des XIXème et XXème siècles, Nr. 19 ("Rivage et ciel"), jeweils rückseitig mit dem Galerie-EtikettLiteraturJacques Lassaigne/Fiorella Minervino, Degas, Paris 1974, Nr. 327 mit Abb. S. 101Edgar Degas hielt sich im Sommer 1869 in den Seebädern Villers-sur-Mer und Etretat an der französischen Kanalküste auf. Hier entstand unter dem Eindruck des Meeres und des endlos erscheinenden Himmels eine Reihe von Landschaftspastellen - ein Novum für den Großstadtmaler. Tatsächlich blieb diese stimmungsvolle Serie eine singuläre Episode in seinem Oeuvre, da Degas bei der Arbeit im Freien unter Problemen mit seiner Sehkraft zu leiden begann. In diesen zarten Landschaftsstudien entdeckte Degas erstmals das für sein gesamtes weiteres Schaffen so wichtige Medium der Pastellkreiden für sich und gelangte in der Verwendung dieser Technik schnell zu höchster Ausdruckskraft. „Im Pastell war ein adäquates Sprachmittel gefunden, um die verhaltene Farbigkeit und die Linienarabesken einer Landschaftssilhouette in schnell gesetzten Farbstrichen zu entwickeln. […] Als Cézanne im Aquarell ein ihm angemessenes Medium erkannte, machte Degas, beginnend mit der Landschaftssuite von 1869, das Pastell, neben der Zeichnung mit Bleistiften, Kreiden und Kohle, zu seinem zentralen Darstellungsmittel. Rasch fand er heraus, dass sich in dieser Technik Strichführungen wie selbstverständlich mit malerischer Dichte verbinden oder dass sich feste Stofflichkeit mit zarten, den Papiergrund zur Mitwirkung verhelfenden Transparenzen konfrontieren lässt. Er zeichnete mit Stiften verschiedener Härte, während er mit den Fingerkuppen, mit weichen Pinseln und Wischern malerische Wirkungen zu erzielen vermochte.“ (Götz Adriani, Edgar Degas. Pastelle, Ölskizzen, Zeichnungen, Ausstellungskat. Kunsthalle Tübingen/Nationalgalerie Berlin 1984, Köln 1986, S. 50). Die flüchtigen Naturerscheinungen dieser von Wind und Wolken bestimmten Meereslandschaft, in denen Farben und Helligkeitswerte einem steten Wandel unterworfen sind, erfasste der Künstler meisterhaft in zartesten Nuancierungen. Er folgt damit den englischen Meistern der Romantik, die sich in den 1820er und 1830er Jahren in intensiven Naturbeobachtungen mit den Erscheinungsphänomenen von Himmel und Wolken beschäftigten. Insbesondere John Constable wurde mit seinen Ölstudien von Wolkenformationen berühmt, denen er sich mit größer Ausführlichkeit und naturwissenschaftlichem Anspruch widmete; sein Zeitgenosse William Turner begann um 1810 mit aquarellierten, atmosphärischen Himmelsbeobachtungen, die er zu dynamischen Abstraktionen steigerte.

Lot 29

Pastell auf hellgrauem handgeschöpften Papier 25 x 21 cm Unter Glas gerahmt. Unten rechts mit Bleistift signiert 'Kupka'. - Rückseitig auf dem Rahmenpapier mit Galerie- und Ausstellungsaufklebern.ProvenienzSaidenberg Gallery, New York (mit rückseitigem Papier-Klebeetikett); Privatsammlung, USA; Kunsthaus Lempertz, Auktion Moderne Kunst 859, Köln, 5. Juni 2004, Lot 814; Privatbesitz, RheinlandAusstellungenNew York 1962 (Saidenberg Gallery); New York 1975 (Salomon R. Guggenheim Museum), Frantisek Kupka 1871-1957 - A Retrospective, Kat. Nr. 85 (mit rückseitigen Ausstellungs-Etiketten); Zürich 1976 (Kunsthaus), Frank Kupka, Kat. Nr. 85 ("Studie in Beziehung zu amorphen Farbskalen")Auf der Suche nach dem Geistigen nimmt Frantisek Kupka mit seinen Kompositionen rhythmischer Formen und Farben eine bedeutende Position der Avantgarden des frühen 20. Jahrhundert ein. Als ein Kaleidoskop von wechselnden Lichteffekten, Farbformen und -räumen streben seine Kompositionen dieser Jahre nach nicht weniger als der Darstellung einer unsichtbaren kosmischen Ordnung. Nach einem zunächst figürlich geprägten Frühwerk stellt das Jahr 1911 den zentralen Wendepunkt seines künstlerischen Schaffens hin zum Abstrakten dar: „Da Kupka den Menschen als Mikrokosmos einer höheren Ordnung sah, dessen Wesen jene grossartigeren Rhythmen widerspiegelte, war sein Übergang von der Darstellung der menschlichen zur kosmischen Dimension logisch und seinem Glauben zuzuschreiben. 1911 war das Jahr seines Übergangs von konkreter zu abstrakter Darstellung, vom Speziellen zum Universalen, von der Welt der Phänomene zur noumentalen Idee.“ (Margit Rowell, Frantisek Kupka Eine Metaphysik der Abstraktion, in: Aust. Kat. Frank Kupka, Solomon R. Guggenheim Museum New York/Kunsthaus Zürich 19175/1976, S. 47).Unser Pastell versteht sich als betörender Repräsentant dieser für das Gesamtwerk des Künstlers zentralen Jahre und wurde vielfach prominent ausgestellt.

Lot 3

Acryl auf Leinwand 81,5 x 102 cm. Gerahmt. Signiert und datiert 'cply'94'. - Mit Atelier- und leichten Altersspuren.Die vorliegende Arbeit ist im Estate of William N. Copley, New York, registriert.ProvenienzGalerie Lelong, Zürich (mit rückseitigem Aufkleber); Privatsammlung, Nordrhein-WestfalenLiteraturBrigitte Reinhardt (Hg.), William N. Copley, True Confession, Ausst.Kat. Ulmer Museum, Ostfildern 1997, S. 24 mit Abb.Die scheinbar naiven Bildwelten von William N. Copley sind erfüllt von erotischen Phantasien, in denen neben Frauenakten und fetischartig aufgeladenen Objekten oftmals der Künstler selbst auftaucht. Farbenfroh, respektlos und voll selbstironischem Humor bedient er sich bei diversen kunst- und kulturhistorischen Vorbildern. Lebensfreude und hintergründiger Witz geben seinem Oeuvre eine unverwechselbare Heiterkeit und spiegeln den sorglosen Lebensstil des Künstlers wider. „Man sehe sich nur die Duette an, die auf diesen Bildern gesungen werden - die Tänzchen, die hier gedreht werden, zeigen alles und verhüllen nichts. Es ist vollkommen klar: Hier handelt nicht ein Opfer, das unter Qualen die Arena des Geschlechterkampfes betreten hätte, hier spricht der Täter aus Leidenschaft, die Lust an der erotischen Handlung bestimmt Leben wie Kunst.“ (Carl Haenlein, in: William N. Copley, Works 1948-1983, A German Collection, Ausst.Kat. Galerie von Braunbehrens, München 2012, S. 11)Augenzwinkernd analysiert Copley seine speziellen Präferenzen in diesem unbetitelten Werk von 1994. Als kleiner Mann mit Anzug und Melone porträtiert er sich selbst in der Rolle des Sigmund Freud in der Gesprächssitzung mit einer „Patientin“ auf der Couch. Die liegende unbekleidete Frau, der Hund und die betonte Ornamentik der räumlichen Details sind feste Bestandteile seines charakteristischen Bildprogramms. Die Gemälde, die großformatig in üppigen Goldrahmen an den Wänden hängen, sind ebenfalls vielfach in Copleys Interieurs anzutreffen. Sie bilden eigenständige Sphären, in denen er seine erotischen Phantasien fortführt oder Kunstwerke von Weltrang persifliert - hier da Vincis Abendmahl, in dem Jesus und einige der Jünger durch weibliche Figuren ersetzt werden.

Lot 46

Öl auf Leinwand 60 x 50 cm. Rückseitig auf dem Keilrahmen signiert, datiert und betitelt 'M Dumas.The window. 1992'.ProvenienzGalerie Isabella Kacprzak, Köln (mit rückseitigem Aufkleber); Privatsammlung, LuxemburgAusstellungenKöln 1992 (Galerie Isabella Kacprzak), Marlene Dumas, Ask me no questions and I will tell you no liesLiteraturDominic van den Boogerd u.a., Marlene Dumas, London 1999, S.143 mit Farbabb.„The Window“ ist ein intimes Bild, sowohl in Bezug auf seine Abmessungen als auch seinen Darstellungsgehalt. Eine Gestalt - vielleicht eine Frau, vielleicht ein kleines Mädchen - füllt den Bildraum in der Höhe aus. Sie wird als reine Rückenfigur wiedergegeben, wendet sich also vollständig vom Betrachter ab, und ist statisch in eine nahezu symmetrische Bildsituation eingespannt. Die Arme zu beiden Seiten gleichermaßen abgewinkelt, die Füße auswärts gedreht, steht sie fest verankert vor dem dunklen Quadrat, das sich als das titelgebende Fenster erkennen lässt. Dichtes, über die Schultern herabfallendes Haar und ein knöchellanges Hemd verhüllen Kopf und Körper - mit Ausnahme der Arme - zur Gänze. Die herabfließenden Stoffbahnen des Gewandes finden ihre Entsprechung in den vertikalen transparenten Pinselbahnen, mit denen die Künstlerin den Umraum andeutet. Das auffallendste, da farblich hervorstechende, Detail sind die roten Schuhe mit großen Pompons, die erst durch die ungewöhnliche Fußstellung voll sichtbar werden. Sie tragen eine tiefe symbolische Aussagekraft in sich, hier spielen vielfältige Bedeutungsebenen wie Macht, Blut und Opfertod, Gewalt und Leidenschaft hinein. Das gleiche Rot findet sich, erst bei Betrachtung aus der Nähe erkennbar, in den dunklen Partien des Fensters und des davorstehenden Konsoltisches, auch Spuren von blauer Farbe treten dort in Erscheinung.Für Marlene Dumas ist es ein ungewöhnliches und außerordentlich interessantes Bild, denn es stellt die gängigen Darstellungsgewohnheiten der Künstlerin auf den Kopf. In Dumas' Oeuvre ist das Porträt allgegenwärtig. Ihre meist weiblichen Dargestellten sind als bildfüllende Porträtköpfe sowie als Halb- oder Ganzfiguren präsent. Ist der Körper mit abgebildet, so ist er meist unbekleidet. Der unmittelbare Blick auf den - im wortwörtlichen oder im übertragenen Sinne - nackten, ungeschützten Menschen steht normalerweise im Fokus ihrer Arbeit. Doch die Protagonistin von „The Window“ entzieht sich diesem Blick und jeglicher Freilegung. Gänzlich bekleidet, verborgen und abgewandt, ist sie geschützt in sich selbst zurückgezogen - ein seltener darstellerischer Aspekt im Oeuvre der Künstlerin.Marlene Dumas arbeitet bekanntlich nicht nach lebenden Modellen oder erdenkt ihre Sujets frei, sondern verwendet fotografische Vorlagen unterschiedlichster Printmedien, auch Abbildungen von historischen Gemälden oder ihre eigenen, privaten Fotos. Sie isoliert somit ihre Motive aus deren vormaligem Kontext und überlässt sie frei von vorgegebenen Referenzen dem Blick und den Assoziationen des Betrachters. Grundsätzlich und ganz bewusst hält Dumas die Aussage ihrer Werke in der Schwebe, der Betrachter bekommt von ihr keine Handreichung für deren Deutung. Vielmehr lässt die Künstlerin die individuelle Biografie des Betrachters zu einem Teil ihres Kunstwerkes werden. Auf der Grundlage der persönlichen Lebensumstände und Charaktereigenschaften der Betrachter erfahren ihre Werke konträre Ausdeutungen. Empfindet eine Person angesichts eines ihrer Bilder etwa Furcht oder Einsamkeit, ruft dasselbe Werk bei einem anderen Betrachter vielleicht eine Erinnerung an ein Kindheitserlebnis hervor, das mit einem individuellen Gefühl von Geborgenheit verknüpft ist. „The Window“ hält, still und geheimnisvoll, alle Möglichkeiten für die Interpretationen des Betrachters bereit.

Lot 53

Öl und Ölkreide auf zwei aneinander montierten Kartons 73 x 102 cm. Gerahmt. Monogrammiert und betitelt 'aR. FEUER-MUND AR'. Rückseitig signiert und beschriftet 'Farbfest für Dokum[...] A. Rainer'. - Mit Atelierspuren.Wir danken dem Atelier Arnulf Rainer, Wien, für hilfreiche Auskünfte.ProvenienzGalerie Lelong, Zürich (mit rückseitigen Aufklebern); Privatsammlung, Nordrhein-WestfalenAusstellungenBarcelona 1998 (MACBA Museu d'Art Contemporani de Barcelona), documenta 7, 1982, A view of European painting of the momentNew York 1989 (Solomon R. Guggenheim Museum), Chicago (Museum of Contemporary Art), Wien (Historisches Museum der Stadt Wien), Den Haag 1990 (Haags Gemeentemuseum), Arnulf Rainer, Ausst.Kat.Nr.101 mit Farbabb. 54 (mit rückseitigem Aufkleber)Rivoli 1990 (Castello di Rivoli Museo d'arte contemporanea), Arnulf Rainer, Ausst.Kat.Nr.54 mit Farbabb.Zürich 1985 (Galerie Maeght Lelong), Arnulf Rainer, Ausst.Kat., S.7 mit Farbabb. Kassel 1982 (documenta 7), Ausst.Kat., Bd.II, S. 277 mit Abb. (mit rückseitigem Aufkleber)Im Jahr 1973 entdeckt Arnulf Rainer die Fingermalerei aus einer Notwendigkeit heraus: als ihm bei der konzentrierten Arbeit an einer Fotoübermalung der Pinsel abbricht, nutzt er die bloßen Finger, um das Bild ohne Unterbrechung fertigstellen zu können. Der unmittelbare Farbauftrag und die damit verbundenen gestischen Ausdrucksmöglichkeiten faszinieren ihn dermaßen, dass die Arbeit mit Fingern, Händen und Füßen von nun an zu seiner bevorzugten Technik wird. In den ersten Fingermalereien schlägt der Künstler die Farbe in gewaltsamen Aktionen auf den Malgrund, blutende Hände und vollkommene Erschöpfung sind die Folgen dieser Exzesse. Diese Kämpfe mit der Materie wandeln sich in den folgenden Jahren zu einem gemäßigteren, aber weiterhin körperlich und emotional äußerst intensiven Vorgang. Da sich Leinwand aufgrund ihrer Rauheit als ungeeignet erweist, arbeitet Rainer meist mit glatten Kartonplatten, um Verletzungen zu vermeiden.„Aus einer impulsiven Ohrfeigenattacke entstanden, die ich meiner eigenen Photoattrappe versetzte, hat sich die Malerei mit den eigenen Gliedern für mich immer mehr als eine Fundgrube für (umgesetzte) körperliche Berührungsgebärden erwiesen. […] Meistens ergaben sanfte Bildgrundbetastungen den Anfang. Nur wenn sich da nicht genügend Leben, das heißt Spurenintensität regte, streichelte, rieb und drosch ich allmählich. Trotzdem träumte ich weiter von sanften, flüssigen Berührungen, um daraus eine Bildlebendigkeit zu erweichen und zu erwecken, die heftige Erregung widerstrahlt.“ (Arnulf Rainer, zit. nach: Arnulf Rainer, Ausst. Kat. Historisches Museum der Stadt Wien, Wien 1990, S. 47). Das farbintensive, von gitterartigen Strukturen bestimmte „Fingerfarbfest (Feuer-Mund)“ erarbeitet der Künstler als Teil einer 6-teiligen Werkgruppe für die documenta 7, die 1982 unter der kuratorischen Leitung von Rudi Fuchs stattfindet.

Lot 71

Dispersion und Öl auf Nessel 220 x 180 cm. Gerahmt. Rückseitig auf der Nessel signiert, datiert und betitelt '1981 Middendorf "In red night"'. - Mit leichten Altersspuren.ProvenienzGalerie Albert Baronian Gallery, Brüssel (mit rückseitigem Aufkleber); Galerie Lucien Bilinelli, Brüssel (mit rückseitigen Stempeln); Privatsammlung, BelgienIn einem Interview mit Helmut Middendorf stellt Walter Grasskamp die Frage nach dessen Farbwahl und seiner Vorliebe für Ultramarin, die der Künstler wie folgt erklärt: "Für mich war die ja nur positiv belastet, ich fand Yves Klein immer toll, und im Laufe des Bildermalens kristallisieren sich ja bei jedem Maler so bestimmte Paletten heraus, bestimmte Farben, die bevorzugt verwendet werden, weil man glaubt, damit am besten seine Vorstellungen realisieren zu können. Als ich die Farbe gefunden habe, war es für mich wahnsinnig schwer, damit zu malen. Denn in dem Moment, wo man die Farbe pur nimmt wie bei Yves Klein, ist es schwer, damit zu malen, ohne dass es aus dem Bild fällt. Im Zusammenhang mit der Leimfarbe und dem Pigment habe ich dann gemerkt, dass es mit der Leimfarbe geht, da habe ich es in den Griff gekriegt. […] Wenn man dieses wahnsinnig intensive Ultramarinblau im Original sieht, dann kriegt es schon so was Weggedröhntes, so eine Faszination, wo man sich hineingucken kann, das geht nach hinten so unglaublich weg, das gibt am meisten nach." (Helmut Middendorf, zit. nach: Walter Grasskamp im Interview mit Helmut Middendorf, in: Kerber Verlag (Hg.), Helmut Middendorf, Berlin, Die 80er und frühe Bilder, Bielefeld 2015, S.20)

Lot 121

Ernst Ludwig Kirchner - - 1880 Aschaffenburg - 1938 Davos Unterhaltung. 1923. Aquarell und Tuschpinsel über Kreidezeichnung. Links oben sowie mittig oben signiert. Verso mit dem Nachlassstempel (Lugt 1570b) und der handschriftlichen Nummerierung 'A Da/Bi 10'. Auf festem, glattem Velin. 35 x 47 cm (13,7 x 18,5 in), blattgroß. [CH]. • Farbkräftige Figurenkomposition von gemäldehafter Wirkung. • Die gesellige Szene zeigt wohl E. L. Kirchner, seine Lebensgefährtin Erna Schilling und einen Gast im 'Wildbodenhaus' in Davos, welches das Paar erst im Entstehungsjahr 1923 bezieht. • Bei dem Gast könnte es sich um den Kunstkritiker Gustav Schiefler handeln, der den Künstler im Juni in Davos besucht. • Kirchner stellt zudem einige von ihm selbst geschnitzte Möbel dar, u. a. eine Banklehne mit Mutter und Kinderfiguren, fertiggestellt im Entstehungsjahr unseres Aquarells. Dieses Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv, Wichtrach/Bern, dokumentiert. PROVENIENZ: Nachlass des Künstlers (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946). Galerie Elfriede Wirnitzer, Baden-Baden. Privatsammlung Norddeutschland. Privatsammlung Schweiz (2006 vom Vorgenannten erworben, Villa Grisebach Auktionen, 26.5.2006, Los-Nr. 43). LITERATUR: Auktionshaus Weinmüller, München, 97. Auktion, Katalog 105, Moderne Kunst, 5.11.1965, Los-Nr. 140 (mit Abb., Tafel 62). Villa Grisebach Auktionen, Berlin, 134. Auktion, Selected Works, 26.5.2006, Los-Nr. 43 (mit Farbabb., S. 74). Nach einigen längeren Aufenthalten in Davos siedelt E. L. Kirchner mit seiner Lebensgefährtin Erna Schilling 1923, dem Entstehungsjahr der hier angebotenen Arbeit, endgültig in die Schweiz über. In Davos bezieht er nun das 'Wildbodenhaus' oberhalb und nördlich des Sertigtals. Hier baut sich das Paar ein einfaches, rustikales Leben mit nur wenigen Annehmlichkeiten auf. Die Alpenlandschaft, das besondere, wenngleich arbeitsreiche Leben der dort ansässigen Bauernfamilien und die dörflich-bukolische Idylle sind Kirchner in diesen Jahren bedeutende Inspirationsquellen. Mit beeindruckender Schaffenskraft arbeitet er an druckgrafischen Arbeiten, Zeichnungen, Aquarellen, Gemälden und sogar Holzskulpturen und Möbeln für sein Zuhause im 'Wildbodenhaus'. Wie einige seiner ähnlich gesinnten Künstlerfreunde wünscht sich Kirchner ein Leben fernab der etablierten, bürgerlichen Lebensformen. Das einfache Haus in der Schweiz richtet er mit Erna deshalb mit exotischen, teils eben auch selbst entworfenen und gefertigten Möbeln ein, für deren aufwendige Schnitzereien er sich u. a. von der afrikanischen und auch der Schweizer Volkskunst inspirieren lässt. Auf einem dieser Möbelstücke, einem von Kirchner selbst geschnitzten Stuhl, sitzt hier in lässig-gemütlicher Pose ein älterer Herr in blauem Anzug, bei dem es sich um den Kunstmäzen und -kritiker Gustav Schiefler (1857-1935) handeln könnte, dessen Besuch im Juni zur Entstehungszeit unserer Arbeit erst wenige Monate zurückliegt. Schiefler und Kirchner führen einen intensiven Schriftwechsel, denn Schiefler arbeitet in diesen Monaten intensiv an einem Werkverzeichnis der grafischen Arbeiten E. L. Kirchners, dessen erster Band 1926 publiziert wird. Bei dem Stuhl handelt es sich hoher Wahrscheinlichkeit nach um 'Stuhl III' von 1920 (Wolfgang Henze, Werkverzeichnis der Plastik, 1920/05), bei dem Kirchner einen weiblichen Akt an der Rückenlehne ausgestaltet. Rechts im Bild ist die Lehne einer rot bemalten Sitzbank aus Kiefernholz auszumachen, die in Wirklichkeit aus einem geschnitzten Frauenakt und zwei kleinen Kinderfiguren besteht und die Kirchner erst kurze Zeit vor Entstehung unserer Arbeit fertigstellt (Henze, 1923/02). Das vorliegende Werk weiß die Schaffenskraft des Künstlers in diesen Jahren eindrucksvoll zu veranschaulichen: Das dynamisch aufs Papier gebrachte Aquarell in kräftig-expressiven Farben zeigt nicht nur eine gesellige, womöglich abendliche Szene im gerade bezogenen 'Wildbodenhaus', sondern setzt auch die aufwendigen, von Kirchner selbst gestalteten und geschnitzten Sitzmöbel in Szene, von denen heute nur noch wenige Stücke erhalten sind. [CH] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 13.28 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONErnst Ludwig Kirchner -1880 Aschaffenburg - 1938 Davos Unterhaltung. 1923. Watercolor and brush drawing over chalk drawing. Signed in upper left and in top center. Verso with the estate stamp (Lugt 1570b) and the hand-written number 'A Da/Bi 10'. On firm smooth wove paper. 35 x 47 cm (13.7 x 18.5 in), the full sheet. [CH]. • Figure composition in strong colors and with a painting-like effect. • The casual scene shows E. L. Kirchner, his partner Erna Schilling and a guest at the 'Wildbodenhaus' in Davos, where the couple had just settled in 1923, the year this work was made. • The guest might have been the art critic Gustav Schiefler who visited the artist in Davos in June that year. • Kirchner also depicts a couple of pieces of furniture, among them the backrest of a bench showing a mother with children, which he had carved the year our watercolor was made. This work is documented at the Ernst Ludwig Kirchner Archive, Wichtrach/Bern. PROVENANCE: From the artist's estate (Davos 1938, Kunstmuseum Basel 1946). Galerie Elfriede Wirnitzer, Baden-Baden. Private collection Northern Germany. Private collection Switzerland (acquired from aforementioned in 2006, Villa Grisebach Auctions, May 26, 2006, lot no. 43). LITERATURE: Auction house Weinmüller, Munich, 97th auction, catalog 105, Modern Art, November 5, 1965, lot no. 140 (with illu., plate 62). Villa Grisebach Auctions, Berlin, 134th auction, Selected Works, May 26, 2006, lot no. 43 (with color illu. on p. 74). Called up: June 18, 2021 - ca. 13.28 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 136

Emil Nolde - - 1867 Nolde/Nordschleswig - 1956 Seebüll/Schleswig-Holstein Marschlandschaft. Um 1920. Aquarell. Links unten signiert. Auf feinem Japanbütten. 35,1 x 47,9 cm (13,8 x 18,8 in), blattgroß. • Besonders frei formulierte Darstellung der weiten, flachen Marschlandschaft um Utenwarf am Ruttebüller Tief, der damaligen Heimat des Künstlers. • Der Künstler verleiht der norddeutschen Landschaft eine ganz besondere, innerhalb seines Œuvres sehr seltene Farbigkeit. • Mit der charakteristischen Nass-in-Nass-Technik und dem so dynamischen, zum Teil fast gestischen Farbauftrag schafft Nolde hier eine Landschaftsdarstellung zwischen Naturnähe und Abstraktion mit mystisch-geheimnisvoller Wirkung. Mit einer Fotoexpertise von Dr. Manfred Reuther, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 15. August 2005. PROVENIENZ: Privatsammlung Salzburg. Privatsammlung Berlin. Sammlung Hinterfeldt (vom Vorgenannten erworben). AUSSTELLUNG: Emil Nolde. Weltsicht, Farbe, Phantasie, Stadthalle Balingen, 19.7.-7.9.2008, S. 127 (mit Abb.). 'In der Stadt kümmert man sich wenig nur um die Ereignisse der Natur, man beachtet kaum das Donnerrollen oder den Blitz. Die Dramatik wird nicht erlebt. Auf dem flachen Lande ist es anders; die einzelnen Höfe und Dörfer ragen über die Fläche hinaus [..].' Emil Nolde, in: Reisen. Ächtung. Befreiung (1919-1946), Köln 1978, S. 52. Bereits 1916 zieht das Ehepaar Nolde von der Insel Alsen ans Meer um Utenwarf am Ruttebüller Tief. Die norddeutsche, flache Landschaft und die Abgeschiedenheit der ländlichen Umgebung bleiben für den Künstler Zeit seines Lebens Rückzugsort und Inspirationsquelle. In der hier angebotenen Arbeit gelingt es Nolde, mit energiegeladenen, dynamischen Pinselstrichen die Weite der flachen Landschaft, den zum Teil dunklen, wolkenverhangenen Himmel mit nur hier und da hervorblitzendem, freundlichem Blau, den ins Gesicht peitschenden Wind, den sich in Strömen über die Marsch ergießenden Regen, das am fernen Horizont durch die Wolken brechende und sich auf den regennassen Wegen spiegelnde Sonnenlicht mitsamt der stürmischen Gewitterstimmung in besonders außergewöhnlicher Farbigkeit aufs Papier zu bannen. Neben dunkles Grasgrün und helles, frisches Grün setzt Nolde Zitronengelb und erdiges Orange und führt uns auf dem mittig ins Bild gesetzten Weg hinein in die stürmische, verregnete Marschlandschaft, hinein in seine Welt. Nolde schafft hier eine farbstarke Darstellung zwischen Naturnähe und expressionistischer Abstraktion, die es den Betrachter:innen ermöglicht, die hier eingefangenen, turbulenten Wind- und Wetterverhältnisse und die besondere kühle Lichtstimmung Norddeutschlands nachzufühlen - ganz ohne nass zu werden. [CH] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 13.48 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird differenzbesteuert, zuzüglich einer Einfuhrumsatzabgabe in Höhe von 7 % (Ersparnis von etwa 5 % im Vergleich zur Regelbesteuerung) oder regelbesteuert angeboten (N).ENGLISH VERSIONEmil Nolde -1867 Nolde/Nordschleswig - 1956 Seebüll/Schleswig-Holstein Marschlandschaft. Um 1920. Watercolor. Signed in lower left. On fine Japon. 35.1 x 47.9 cm (13.8 x 18.8 in), the full sheet. [CH]. • Particularly free interpretation of the vast and flat marsh landscape around Utenwarf, the artist's home at that time. • The artist renders the Northern German landscape in a colors which are rarely found in his oeuvre. • With the characteristic wet-in-wet technique and the dynamic, almost gestural color application Nolde creates a landscape depiction between closeness to nature and a mystical-mysterious effect. With a photo expertise from Dr. Manfred Reuther, Foundation Seebüll Ada and Emil Nolde, vom August 15, 2005. PROVENANCE: Private collection Berlin. Private collection Switzerland (acquired from the above). EXHIBITION: Emil Nolde. Weltsicht, Farbe, Phantasie, Stadthalle Balingen, July 19 - September 7, 2008, p. 127 (with illu.). 'In the city life is little about the events of nature, one hardly pays any attention to rolling thunder or lightning. The drama is hardly taken into account. That's different in the countryside, where farms and villages protrude from the flat land [.]. ' Emil Nolde, in: Reisen. Ächtung. Befreiung (1919-1946), Cologne 1978, p. 52. Called up: June 18, 2021 - ca. 13.48 h +/- 20 min. This lot can be subjected to differential taxation plus a 7% import tax levy (saving approx. 5 % compared to regular taxation) or regular taxation (N).

Lot 15

Carl Spitzweg - - 1808 München - 1885 München Einsiedler mit Mädchen. Um 1870. Öl auf Holz. Wichmann 831. Verso mit dem Nachlassstempel (Lugt 2307). 37,5 x 30 cm (14,7 x 11,8 in). • Provenienz aus dem Nachlass des Künstlers und lange im Besitz der erweiterten Nachkommenschaft. • Seltene Darstellung eines so jungen Einsiedlers, der sich wohl nur zu gerne ablenken lässt. • Weitere Eremiten-Gemälde befinden sich in der weltweit größten und bedeutendsten Spitzweg-Sammlung des Museums Georg Schäfer, Schweinfurt. • Am Grotteneingang verwendet Spitzweg das von ihm als Apotheker selbst kreierte, einmalige leuchtende Coelinblau - vom Spitzweg-Kenner Jens Christian Jensen als 'Himmelsaugen' beschrieben. • Faszinierend gelungene Kombination landschaftlicher Gestaltung, theatraler Lichtführung und szenischer Fantasie im reifen Werk Spitzwegs. Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft. PROVENIENZ: Aus dem Nachlass des Künstlers. Sammlung Major Karl Loreck (angeheirateter Neffe des Künstlers), München (verso mit dem handschriftlichen Namenszug, bis mindestens 1986 in Familienbesitz). Privatsammlung Süddeutschland. AUSSTELLUNG: Carl Spitzweg und die französischen Zeichner. Daumier-Grandville-Gavarni-Doré, Haus der Kunst, München, 23.11.1985-2.2.1986, S. 396, Nr. 749 (mit Abb.), S. 502. Über einen längeren Zeitraum hinweg entwickelt Carl Spitzweg das Motiv des Einsiedlers, dessen Figur er in immer neue landschaftliche und szenische Variationen einbindet. Er zeigt ihn in die Andacht oder in die theologische Diskussion versunken, aber auch bei so profanen Tätigkeiten wie dem Stricken oder Gänserupfen und schließlich den sinnlichen Genüssen des Lebens nachgebend, wie Violine spielend, bei der Weinprobe, oder dem Zauber des weiblichen Geschlechts erliegend. Auch der Eremit ist eine der charakteristischen Sonderlings-Figuren, die in Spitzwegs Oeuvre so liebevoll wie treffend beschrieben werden. Sein Interesse hat durchaus auch einen zeitgeschichtlichen Hintergrund. So setzt sich der hochgebildete und wissbegierige Spitzweg, im Zuge des nach der Säkularisation wiedererstarkenden klösterlichen Lebens und den Reformbewegungen, mit den Ordensregeln der Benediktiner auseinander, die Askese, Armut und Keuschheit gebieten. In seinen Notizen hebt er gerade die durch enthaltsame Einkehr entstehende reformatorische Kraft hervor. Etliche dieser Eremiten-Variationen entstehen zwischen 1865-70, wobei sich nach und nach auch das Motiv der Versuchung oder des verliebten Einsiedlers einstellt. So schließen sich diese Gemälde einer langen kunsthistorischen Tradition an, die auf die Legende des vom Teufel in Versuchung geführten heiligen Antonius verweist. Unter anderem wird dem Eremiten das Trugbild einer schönen Frau präsentiert, um seine asketische Lebensweise auf die Probe zu stellen (vgl. Spitzwegs Gemälde „Die Vision des Einsiedlers“ und „Versuchung des Hl. Antonius“, Wichmann 832, 833). Ein Freund des Theaters, sind Spitzwegs Kompositionen immer auch gekennzeichnet von genauer Beobachtungsgabe menschlicher Verhaltensweisen und körperlichem Ausdruck seelischer Regungen. In bühnenhafter Beleuchtung, die Ebenen des Raums kulissenhaft hintereinanderstaffelnd, inszeniert er hier genau den Moment des Aufschreckens, als der noch junge Einsiedler die beiden herannahenden Mädchen bemerkt. Bemerkenswert ist auch der geschickte Einsatz bunter Farbigkeit: In der tonigen Landschaft verteilt Spitzweg hier und da Akzente in wiederkehrendem Blau, Rot und Grün, etwa in der blauen Vase, den roten Seiten des Buches, Blumen und Brunnentrog sowie nicht zuletzt dem Gewand der beiden Mädchen. Vor dem in der Höhe sich öffnenden Grotteneingang erscheinen die beiden Gestalten wie Himmelsbotinnen oder insgeheim herbeigesehnte weibliche Gesellschaft. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 17.18 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONCarl Spitzweg -1808 München - 1885 München Einsiedler mit Mädchen. Um 1870. Oil on panel. Wichmann 831. With the estate stamp on the reverse (Lugt 2307). 37.5 x 30 cm (14.7 x 11.8 in). • From the artist's estate and in possession of his extended family for a long time. • Rare depiction of such a young hermit who is only too happy to be distracted. • Further hermit paintings can be found in the world's largest and most important Spitzweg collection at the Georg Schäfer Museum, Schweinfurt. • At the entrance to the cave Spitzweg uses the unique glowing cobalt cerulean blue that he had created as a pharmacist - Spitzweg expert Jens Christian Jensen calls it 'the eyes of heaven'. • Fascinating combination of landscape, dramatic lighting and fantasy in Spitzweg's mature work. We are grateful to Mr Detlef Rosenberger, who eyed the original work, for his kind support in cataloging this lot. PROVENANCE: From the artist's estate. Collection Major Karl Loreck (teh artist's nephew in-law), Munich (with the name on the reverse, family-owned until at least 1986). Private collection Southern Germany. EXHIBITION: Carl Spitzweg und die französischen Zeichner. Daumier-Grandville-Gavarni-Doré, Haus der Kunst, Munich, November 23, 1985 - February 2, 1986, p. 396, no. 749 (with illu.), p. 502. Called up: June 17, 2021 - ca. 17.18 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 186

Alexej von Jawlensky - - 1864 Torschok - 1941 Wiesbaden Meditation. 1935. Öl auf leinenstrukturiertem Papier, auf Karton kaschiert. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 1731. Links unten monogrammiert, rechts unten datiert. Auf dem Unterlagekarton von Lisa Kümmel links unten datiert und bezeichnet 'VIII' sowie rechts unten bezeichnet 'N. 20'. 18,6 x 13,3 cm (7,3 x 5,2 in). Unterlagekarton: 32,5 x 25 cm (12,7 x 9,8 in). • Seit Entstehung Teil derselben Privatsammlung. • In den 'Meditationen' erreicht Jawlensky den Höhepunkt seiner malerischen Abstraktion. • Seine letzte Werkserie ist Ausdruck der ungebrochenen Schaffenskraft und innovativen Experimentierfreude des Künstlers. PROVENIENZ: Privatsammlung Wiesbaden (als Geschenk direkt vom Künstler erhalten). Privatsammlung Mecklenburg-Vorpommern (vom Vorgenannten durch Erbschaft erhalten). AUSSTELLUNG: Galerie Ludwig Hillesheimer, Wiesbaden, 29.5.-25.6.1948, Kat.-Nr. 27 (mit dem Titel 'Kopf Nr. 20'). Museum am Ostwall, Dortmund (1992-2004 als Dauerleihgabe). Espressionismo Tedesco. La collezione del Museum am Ostwall di Dortmund, Archivio del '900, Rovereto, 8.4.-26.6.1994 (mit Farbabb., S. 193). Alexej von Jawlensky. Reisen, Freunde, Wandlungen, Museum am Ostwall, Dortmund, 16.8.-15.11.1998 (mit Farbabb., S. 305). Monets Vermächtnis. Serie Ordnung und Obsession, Hamburger Kunsthalle, Hamburg, 28.9.2001-6.1.2002 (mit Farbabb., S. 85). Alexej von Jawlensky. Magische Bilder, Kunsthalle Krems, 27.4.-21.9.2003 (mit Farbabb., S. 130). Pommersches Landesmuseum, Greifswald (2004-2021, als Dauerleihgabe). LITERATUR: Ingo Bartsch und Tayfun Belgin, Meisterwerke des Expressionismus und der Klassischen Moderne, Museum am Ostwall, Dortmund 1995 (mit Farbabb., S. 70). 'Meine letzte Periode meiner Arbeiten hat ganz kleine Formate, aber die Bilder sind noch tiefer und geistiger, nur mit der Farbe gesprochen. Da ich gefühlt habe, dass ich in Zukunft infolge meiner Krankheit nicht mehr werde arbeiten können, arbeitete ich wie ein Besessener diese meine kleinen Meditationen. Und jetzt lasse ich diese kleinen, für mich aber bedeutenden Werke für die Zukunft den Menschen, die Kunst lieben.' Alexej von Jawlensky, zit. nach: Ausst.-Kat. Alexej von Jawlensky. Reisen, Freunde, Wandlungen, Dortmund 1998, S. 119. 1921 fällt Alexej von Jawlensky die Entscheidung, Ascona und der Schweiz endgültig den Rücken zuzukehren und zurück nach Deutschland zu gehen. Den Künstler zieht es nach Wiesbaden, wo er auf einen treuen Freundes- und Sammlerkreis zurückgreifen kann. Ein Jahr später siedelt dann auch seine langjährige Lebensgefährtin Helene Nesnakomoff mit dem gemeinsamen Sohn Andreas in die Kurstadt über, wo Helene und Alexej Jawlensky im Juli schließlich heiraten. Bereits ab 1929 zeigen sich bei Jawlensky deutliche Symptome einer schweren Arthritis, die in den darauffolgenden Jahren sowohl sein alltägliches Leben als auch sein künstlerisches Arbeiten grundlegend und irreversibel verändert. Schon bald ist es Jawlensky nicht mehr möglich, an Veranstaltungen teilzunehmen, sich mit Sammlern und Galeristen zu treffen oder überhaupt das Haus zu verlassen. Trotz seiner Schmerzen und der starken körperlichen Einschränkungen infolge der fortschreitenden Krankheit denkt der Künstler nicht im Ansatz daran, das Malen aufzugeben - im Gegenteil. Um seinen künstlerischen Schaffensdrang weiterhin befriedigen zu können, verkleinert er ab etwa 1933 die Formate seiner Werke und beginnt seine letzte Gemäldeserie, die 'Meditationen', zu der auch die hier angebotene Arbeit gehört. Motivisch entwickeln sich die 'Meditationen' aus der zuvor entstandenen Werkserie der 'Abstrakten Köpfe' weiter. Das die Komposition bestimmende Sujet ist und bleibt das menschliche Gesicht und der menschliche Kopf, den Jawlensky nun in noch konsequenterer Abstraktion, mithilfe eines aus kräftigen schwarzen Pinselstrichen erbauten Liniengerüsts und mit jetzt dunkleren Farben zu Papier bringt. Das serielle Arbeiten, dem sich der Künstler bereits ab 1914 verschreibt, und das mittlerweile immer gleiche, kleine Format seiner Bildträger erlauben ihm, mit fast wissenschaftlicher Experimentierfreude die Wirkung verschiedenster Farbkombinationen und der daraus resultierenden Kontraste auszuloten. Auch die hier angebotene Arbeit mit ihren Hell-Dunkel- und Kalt-Warm-Kontrasten, ihrer nun deutlich dynamischeren Pinselführung und der dadurch deutlich spürbaren emotionalen Ausdrucksstärke führt nicht nur Jawlenskys damals angestrebte formale Reduktion, seine ganz eigene, charakteristische Gleichzeitigkeit von Abstraktion und Figuration sowie seine hier bis zur Perfektion getriebene Stilisierung des menschlichen Antlitzes vor Augen. Sie dokumentiert in der Fülle unterschiedlichster Farben vor allem auch die ungebrochene Schaffenskraft eines Mannes, für den das Ende seiner schöpferischen Arbeit undenkbar war und für den das Komponieren immer neuer Farbmelodien die Quelle seines ungeheuren Lebenswillens darstellte. [CH] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 14.54 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONAlexej von Jawlensky -1864 Torschok - 1941 Wiesbaden Meditation. 1935. Oil on canvas-structured paper, laminated on board. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 1731. Lower left monogrammed, lower right dated. Backing board dated and inscribed by Lisa Kümmel in lower left, as well as inscribed 'N. 20' in lower right. 18.6 x 13.3 cm (7.3 x 5.2 in). Backing board: 32,5 x 25 cm (12,7 x 9,8 in). • Part of the same private collection ever since it was made. • In the 'Meditations' Jawlensky reached the climax of his abstraction. • His last work series is an expression of the artist's unbowed creative powers and innovative lust for experimentation. PROVENANCE: Private collection Wiesbaden (obtained as present from the artist). Private collection Mecklenburg-Vorpommern (inherited from aforementioned). EXHIBITION: Galerie Ludwig Hillesheimer, Wiesbaden, May 29 - June 25, 1948, cat. no. 27 (with the title 'Kopf Nr. 20'). Museum am Ostwall, Dortmund (as permanent loan from 1992-2004). Espressionismo Tedesco. La collezione del Museum am Ostwall di Dortmund, Archivio del '900, Rovereto, April 8 - June 26, 1994 (with color illu. on p. 193). Alexej von Jawlensky. Reisen, Freunde, Wandlungen, Museum am Ostwall, Dortmund, August 16 - November 15, 1998 (with color illu. on p. 305). Monets Vermächtnis. Serie Ordnung und Obsession, Hamburger Kunsthalle, Hamburg, September 28, 2001 - January 6, 2002 (with color illu. on p. 85). Alexej von Jawlensky. Magische Bilder, Kunsthalle Krems, April 27 - September 21, 2003 (with color illu. on p. 130). Pommersches Landesmuseum, Greifswald (as permanent loan from 2004 to 2021). LITERATURE: Ingo Bartsch and Tayfun Belgin, Meisterwerke des Expressionismus und der Klassischen Moderne, Museum am Ostwall, Dortmund 1995 (with color illu. on p. 70). 'I used very small formats for the works of my last creative period, but the images are far deeper and more spiritual, speaking solely through the color. As I felt that I would not be able to work in the future because of my illness, I began to work on the Meditations like a maniac. And now I leave these small but meaningful pictures to future art lovers.' Alexej von Jawlensky, quote after: Ex. cat. Alexej von Jawlensky. Reisen, Freunde, Wandlungen, Dortmund 1998, p. 119. Called up: June 18, 2021 - ca. 14.54 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 189

Heinrich Hoerle - - 1895 Köln - 1936 Köln Begegnung. 1925. Tempera. Backes Teil III 29. Rechts unten signiert. Rechts oben in der Darstellung monogrammiert. Verso mit Tuschezeichnung eines Rückenakts. Auf dünnem Karton. 27 x 16,2 cm (10,6 x 6,3 in), blattgroß. [SL]. • Aus der gefragten konstruktivistischen Werkperiode des Künstlers. • Mithilfe konstruktiver Flächensegmentierung lässt Hoerle Figur und Hintergrund miteinander verschmelzen. • Nach dem Ersten Weltkrieg ist der Künstler Mitglied der Kölner Dada-Gruppe um Max Ernst und Johannes Baargeld. • Seine Werke sind bereits zu Lebzeiten in renommierten musealen Sammlungen vertreten, unter anderem im Wallraf-Richartz-Museum, Köln, im Kunstmuseum Düsseldorf oder dem Museum in Detroit. PROVENIENZ: Galerie Michael Hasenclever, München. Sammlung Deutsche Bank. AUSSTELLUNG: Hoerle und sein Kreis, Ausstellung des Kunstvereins Frechen e. V., Dezember 1970-Januar 1971, Kat.-Nr. 96, Ausst.-Kat. mit Abb. Man in the Middle, Kunsthalle Tübingen, 13.9.-2.11.2003, Ausst.-Kat. mit Farbabb. S. 101. LITERATUR: Ariane Grigoteit, Ein Jahrhundert. One Century. 100 x Kunst, Sammlung Deutsche Bank, Frankfurt a. M. 2001, S. 120-121 (mit ganzs. Abb.). 'Wir wollen keine Bildchen malen, die sich der Satte über sein Sofa hängt, dass sie ihm den Mittagsschlaf versüßen. Wir wollen keine Bildchen machen, damit der Hungrige seinen Hunger vergisst. Wir wollen auch keine Bildchen machen, wo die Welt schön und alles gut ist.' Heinrich Hoerle Klein, abwechslungsreich und qualitätiv hochkarätig ist das künstlerische Gesamtwerk, das der Kölner Maler Heinrich Hoerle hinterlässt, als er im Alter von gerade 40 Jahren an Tuberkulose stirbt. Im Zuge der nationalsozialistischen Aktion 'Entartete Kunst' werden 21 Werke von Heinrich Hoerle aus deutschen Museen beschlagnahmt und teilweise vernichtet. Heute sind Hoerles Arbeiten eine Seltenheit auf dem Auktionsmarkt. Nach mehr als dreißig Jahren hat das herausragende, aber leider ab den 1970er Jahren in Vergessenheit geratene Werk Hoerles, der neben dem Fotografen August Sander und dem Maler Franz Wilhelm Seiwert zu den Protagonisten der Gruppe 'Kölner Progressive Künstler' zählt, erst 2008 in der Ausstellung des Museums Ludwig 'Köln progressiv 1920-33. Seiwert-Hoerle-Arntz' wieder die ihm gebührende museale Würdigung gefunden. Nach dem Ersten Weltkrieg ist Hoerle zunächst Teil der Kölner Dada-Gruppe um Max Ernst und Johannes Bargeld, löst sich aber bald wieder von Ernsts internationalen Dada-Bestrebungen, da er eine stärker national ausgerichtete, politischere Kunst anstrebt. Formal verschmilzt Hoerles klare, reduzierte Bildsprache Elemente der Neuen Sachlichkeit, des Konstruktivismus und des Kubismus, wobei bei der Tempera 'Begegnung' deutlich die Nähe zum analytischen Kubismus Picassos und Braques zu Tage tritt, die Hoerle formal mit einer konstruktivistischen Strenge und Grandlinigkeit verschmilzt, die vielmehr der konstruktivistischen Abstraktion entlehnt scheint. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 14.58 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regelbesteuert angeboten (R).ENGLISH VERSIONHeinrich Hoerle -1895 Köln - 1936 Köln Begegnung. 1925. Tempera. Backes Teil III 29. Lower right signed. Monogrammed in upper right part of the image. Verso with an India ink drawing of a nude in rear view. On thin board. 27 x 16.2 cm (10.6 x 6.3 in), size of sheet. [SL]. • From the artist's sought-after constructivist period. • Constructive surface segmenattion combining figure and background. • After WW I the artist was a member of the Cologne Dada group around Max Ernst and Johannes Baargeld. • His works were shown at renowned museums during his lifetime, among them the Wallraf-Richartz-Museum, Cologne, the Kunstmuseum Düsseldorf or the Detroit Art Institute. PROVENANCE: Galerie Michael Hasenclever, Munich. Deutsche Bank Collection. EXHIBITION: Hoerle und sein Kreis, exhibition at Kunstverein Frechen e.V., December 1970 - January 1971, cat. no. 96, ex. cat. with illu. Man in the Middle, Kunsthalle Tübingen, September 13 - November 2, 2003, ex. cat. with color illu. on p. 101. LITERATURE: Ariane Grigoteit, Ein Jahrhundert. One Century. 100 x Kunst, Collection Deutsche Bank, Frankfurt a. M. 2001, pp. 120-121, with full-page illu. 'We don't want to make pleasant pictures that adorn the walls of the overfed, so that they can enjoy their sweet midday nap. And we don't make pictures that help the hungry ones to forget about their hunger. Neither do we want to make pictures of a world in which all is good and nice.' (Heinrich Hoerle) Called up: June 18, 2021 - ca. 14.58 h +/- 20 min. This lot can only be purchased subject to regular taxation (R).

Lot 194

Emil Nolde - - 1867 Nolde/Nordschleswig - 1956 Seebüll/Schleswig-Holstein Madonnenfigur mit Kind und Tulpen. Um 1935/1940. Aquarell. Rechts unten signiert. Auf Japan. 50,5 x 36,8 cm (19,8 x 14,4 in), blattgroß. • Seit 65 Jahren in Familienbesitz. • Besondere Kombination aus Figuren- und Blumendarstellung. • Nolde ist der Meister der Aquarelltechnik im 20. Jahrhundert. Mit einer Fotoexpertise von Prof. Dr. Manfred Reuther, Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, vom 6. November 2014. PROVENIENZ: Kunsthaus Schaller, Stuttgart. Privatsammlung (seit 1956). Privatsammlung Baden-Württemberg (durch Erbschaft vom Vorgenannten). Mit dem Rückzug nach Seebüll konzentriert sich Emil Nolde in seiner Themenwahl mehr und mehr auf die ihn umgebenden Dinge und Landschaften. Der sorgsam gehegte Blumengarten ist in seinem Blütenreichtum Quelle für eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Blumenaquarellen, die Nolde, wie im vorliegenden Falle, gern zu Stillleben mit Objekten aus seiner häuslichen Umgebung erweitert. Die Madonna mit dem Kind ist aus anderen Kompositionen bereits bekannt, es handelt sich um eine Holzfigur mit Resten alter Fassung, entstanden in Norddeutschland wohl um 1430. Die Skulptur befand sich bis zum Tod des Malers in seinem Besitz und ist heute in der Sammlung der Ada und Emil Nolde Stiftung in Seebüll. Die Tulpen sind aus seinem üppigen Blumengarten ins Haus geholt. Zusammen bilden sie eine reizvolle, erhabene Komposition. Die Blütenform der Tulpe findet sich in der Krone der Madonna wieder. Der ganze Bildaufbau strebt nach oben. Die Bedeutung, die das Aquarell im künstlerischen Schaffen Emil Noldes einnimmt, darf mit Recht als ungewöhnlich bezeichnet werden. Kaum ein anderer Künstler der klassischen Moderne hat sich so intensiv mit der Technik der Aquarellmalerei auseinandergesetzt und ihr dank einer eigenen Technik neue, bisher ungeahnte Wirkungen abgewonnen. Noldes Malen in das nasse Japanpapier setzt eine Entschiedenheit der eingesetzten kompositorischen Mittel und der Farbwerte voraus, da Korrekturen bei dieser Technik nicht möglich sind. Neben großzügigen Landschaften sind es vor allem die Blumenaquarelle, die vom meisterlichen Umgang mit den Malmitteln zeugen. Nolde hat immer das Spontane gesucht, das, geformt durch sein künstlerisch ordnendes Temperament, sich einem höheren Sinn unterwirft. [SM] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 15.05 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONEmil Nolde -1867 Nolde/Nordschleswig - 1956 Seebüll/Schleswig-Holstein Madonnenfigur mit Kind und Tulpen. Um 1935/1940. Watercolor. Signed in lower right. On Japon. 50.5 x 36.8 cm (19.8 x 14.4 in), the full sheet. • Family-owned for 65 years. • Special combination of figure and flowers. • Nolde is the master of 20th century watercolor art. Accompanied by a photo expertise issued by Prof. Dr. Manfred Reuther, Foundation Seebüll Ada and Emil Nolde, dated November 6, 2014. PROVENANCE: Kunsthaus Schaller, Stuttgart. Private collection (since 1956). Private collection Baden-Württemberg (inherited from aforementioned). Called up: June 18, 2021 - ca. 15.05 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 22

Detlev (Ditlev) Conrad Blunck - - 1798 Münsterdorf/Itzehoe - 1854 Hamburg Allegorie des Sonntags. 1841. Öl auf Leinwand. Auf dem Bibelrücken monogrammiert und datiert. 121 x 100 cm (47,6 x 39,3 in). Im Original-Künstlerrahmen mit Grisaillen der Wochentage. Wir danken Frau Karin Bechmann Søndergaard, Nærum, sowie Herrn Prof. Dr. Ulrich Schulte-Wülwer, Flensburg, für die freundliche wissenschaftliche Unterstützung. PROVENIENZ: Sammlung Albert Karchow (1807-1887 ?), Berlin (direkt vom Künstler erhalten). Seither in Familienbesitz Berlin. Ein bisher noch nicht ausreichend gewürdigter, obgleich zentraler und bedeutender Künstler des Goldenen Zeitalters in Dänemark ist Detlev Conrad Blunck. Mit 16 Jahren nimmt er 1814 sein Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen auf, wo er die Ateliers der für diese Zeit prägendsten dänischen Künstler besucht, darunter Christoffer Wilhelm Eckersberg, Johann Ludwig Lund und Wilhelm Bendz. Obligatorisch ist im weltoffenen, an Austausch und Weiterbildung sehr interessierten akademischen Kontext nach wie vor die Reise nach Rom, die auch Blunck unternimmt, nachdem er 1827 mit der Großen Goldmedaille auch ein Stipendium erhalten hat. Sein Weg führt ihn im Auftrag Lunds über Berlin nach Dresden, wo er auf Caspar David Friedrich trifft - ebenfalls ehemaliger Student der Kopenhagener Akademie und seinem Lehrer Lund freundschaftlich verbunden -, bis er im Dezember 1828 Rom erreicht. Er findet Anschluss an die dänisch-deutsche Künstlergemeinschaft, deren Zentrum u. a. das Atelier und die Kunstsammlung des Bildhauers Berthel Thorvaldsen bildet, zu der Blunck eine Kopie von Raffaels „Madonna del Granduca“ beisteuert. Die anmutige Schönlinigkeit und das harmonische Kolorit Raffaels wird auch von den Nazarenern um Friedrich Overbeck, zu der Zeit ebenfalls in Rom ansässig, aufs Höchste bewundert. Als Thorvaldsen 1838 nach Dänemark zurückkehrt, bricht auch Blunck seinen mittlerweile fast zehnjährigen Aufenthalt ab, da sein immer wieder verlängertes Stipendium endgültig abläuft. Unter dem Eindruck nazarenischen Kunstschaffens ist es Bluncks Absicht, den dänischen König für die Förderung einer nationalen Kunst zu gewinnen, die die Ausgestaltung wichtiger Institutionen mit Fresken zum Inhalt hat. Anlässlich der Krönung Christians VIII. 1840 steuert auch Blunck ein Aquarell bei, eine erste Version der Allegorie des Sonntags (H. M. Dronningens Håndbibliotek, Amalienborg, Kopenhagen, vgl. Karin Bechmann Søndergaard, Blunck, Nivå 2017, S. 178). Den Kontakt zum Königshaus setzt er fort in seinen Entwürfen für einen großformatigen Fresken-Zyklus der Menschenalter, ursprünglich zur Ausgestaltung von Schloss Christiansborg bestimmt (1840-45, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen). Nachdem er 1840 wohl in Zusammenhang mit seiner Homosexualität des Landes verwiesen wird, wird Berlin neben Wien zum Aufenthaltsort. In diese Schaffensperiode großer Allegorien menschheitsgeschichtlichen und religiösen Inhalts fällt auch unser Werk. Bereits Lund, Thorvaldsen und Eckersberg hatten sich für eine Erneuerung der religiösen Malerei eingesetzt und zahlreiche Altarbilder geschaffen. Kennzeichnend für diese Strömung ist die fast schon hyperrealistische Behandlung von Stofflichkeit, die das Allegorische gleichsam zur greifbaren Realität werden lässt. Herausgelöst aus erzählerischen Zusammenhängen, laden die Szenen zur persönlichen, religiös empfindsamen Meditation ein. Auch unser Werk scheint aufgrund seines Formates und des prachtvollen Rahmens eher für einen öffentlichen als einen privaten Kontext gedacht zu sein. In ihrer Botschaft zielt unsere Allegorie auf die Pflichten allgemeiner bürgerlicher Religiosität. Bekleidet mit einem Messgewand, schwebt ein Engel über einer weiten Ideallandschaft, in der die kastigen Doppeltürme entfernt an die der Broager Kirke an der Flensburger Förde denken lassen. Die heilige Sonntagspflicht wird vor dem transzendent blauen Himmel mit den drei anmutigen Engeln inszeniert: Links ruhen Schwert, Hacke und Spaten mit einem hauchfeinen Spinnennetz, der Lobpreis Gottes in Musik und Gebet wird durch die Attribute der beiden weiteren Engel veranschaulicht. Faszinierend ist neben der harmonischen, an Raffael geschulten Dreieckskomposition und dem Verweis auf den Klassizismus Thorvaldsens mit seinem Relief „Die Nacht“ (1815) allerdings auch die technische Ausführung im akribischen Materialrealismus. Rötliche Reflexe auf dem weißen Gewand mit den goldenen Stickereien und Juwelen sowie die von feinsten bläulichen und gelben Nuancen durchzogenen weichen Flügel lassen das Werk zu einem Seherlebnis werden, das geradezu in langer Kontemplation studiert werden will. Das Gemälde kommt damit seiner Funktion als Andachtsbild sowohl in religiöser als auch visueller Hinsicht nach. In den kleinen Grisaillen des kunstvollen Rahmens erläutert Blunck zudem die Herkunft der anderen Wochentage aus römisch antiker Mythologie, der Samstag wird als heiligster jüdischer Tag mit den Gesetzestafeln Moses symbolisiert. Damit reiht Blunck die Allegorie zusätzlich in eine Chronologie der Religionen ein, als deren eschatologischer Endpunkt das Christentum zu verstehen ist. In solch kunstvoller Vereinigung des Sinnlich-Stofflichen mit dem Ideell-Gedanklichen folgt Blunck dem hohen Anspruch nazarenischer Sinnbildkunst. Deutlich wird zudem der zugrunde liegende fruchtbare kulturelle und künstlerische Austausch zwischen Deutschland, Dänemark und Italien, der im Goldenen Zeitalter der dänischen Malerei derartige Werke hervorbringt. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 17.28 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONDetlev (Ditlev) Conrad Blunck -1798 Münsterdorf/Itzehoe - 1854 Hamburg Allegorie des Sonntags. 1841. Oil on canvas. Monogrammed and dated on the bible's spine. 121 x 100 cm (47.6 x 39.3 in). In original artist frame with the days of the week in grisaille. We are grateful to Mrs Karin Bechmann Søndergaard, Nærum, as well as to Prof. Dr. Ulrich Schulte-Wülwer, Flensburg, for their kind expert advice. PROVENANCE: Collection Albert Karchow (1807-1887 ?), Berlin (directly obtained from the artist). Ever since family-owned (Berlin). Called up: June 17, 2021 - ca. 17.28 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 30

Christian Friedrich Gille - - 1805 Ballenstedt - 1899 Wahnsdorf b. Dresden Felsen im Rabenauer Grund. 1860. Öl auf leichtem Karton. Verso betitelt und datiert 'September 1860'. 24 x 17 cm (9,4 x 6,6 in). Mit einem schriftlichen Gutachten von Herrn Dr. Gerd Spitzer, Bad Harzburg, vom 18.4.2021. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen. Das Verdienst von Christian Friedrich Gille liegt vor allem in seinen Naturstudien, die von ihm im Rahmen der Vorbereitung seiner Landschaftsgemälde angefertigt werden, jedoch in der Wahl der Ausschnitte und Motive sowie der malerischen Vielseitigkeit faszinierende malerische Autonomie beanspruchen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts treten die druckgrafischen Arbeiten des als Landschaftskupferstecher ausgebildeten Gille in den Hintergrund, es entstehen vor allem Ölgemälde der Landschaften um Dresden. Sein Blick richtet sich in den Studien auf Unterholz, wild wuchernde Natur, Gesteinsformationen, das Blattwerk unterschiedlicher Bäume, aber auch auf detailliert ausgeführte einzelne Zweige, Gräser und Blumen. Viele der Studien entstehen vor Ort auf Papier, vor allem im Dresdner Umland in Moritzburg und Wahnsdorf, da Gille aufgrund finanzieller Probleme keine größeren Reisen möglich sind. Dabei erweist er sich als unsentimentaler Naturbetrachter, der von einer romantischen Naturauffassung wie noch während des Studiums bei Johann Christian Clausen Dahl abrückt. Seine topografisch oft genau fassbaren Werke entstehen wie das vorliegende u. a. im Rabenauer Grund, einem engen Kerbtal im Osterzgebirge. Anders als die romantischen Maler wie Adrian Ludwig Richter, der hier u. a. die Vorlage zu seiner „Genoveva in der Waldeinsamkeit“ fand, faszinieren ihn nicht die bizarren Felsformationen und magischen Wegmarken wie Einsiedlerfelsen und Nixenteiche mit ihrer Verbindung zum erzählerischen Gehalt von Rittersagen und Märchen. In der Beobachtung des Unscheinbaren wird von Gille allen Dingen malerisches Interesse und gleiche Relevanz beigemessen. Es bedarf keinerlei idealisierenden Eingreifens des Künstlers, da die Natur als Motiv genügt. Der unmittelbare Natureindruck in der Freiheit der Studie erlaubt dabei ungewöhnliche Ausschnitte ohne erzählerische Staffage, die zwar akademischen Kompositionsprinzipien zuwiderlaufen, aber einen neuen, objektiven Landschaftsrealismus vorbereiten, in dem sogar der einfache Stein zum Motiv wird. Zu Lebzeiten kann sich Gille nur schwer etablieren, seine Arbeiten erhalten erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts die verdiente Anerkennung. Die heute bedeutendsten Bestände an Arbeiten Gilles in öffentlichen Sammlungen befinden sich in den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden sowie in der Kunsthalle in Bremen, dem Geburtsort des Privatsammlers und Kunstliebhabers Johann Friedrich Lahmann (1858–1937). Dieser erwirbt einen Großteil der Ölstudien und Zeichnungen Gilles, wobei die umfassende Sammlung nach seinem Tod zum Großteil versteigert wird bzw. als Schenkung an die Museen übergeht. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 17.38 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONChristian Friedrich Gille -1805 Ballenstedt - 1899 Wahnsdorf b. Dresden Felsen im Rabenauer Grund. 1860. Oil on light board. Verso titled and dated 'September 1860'. 24 x 17 cm (9.4 x 6.6 in). Accompanied by an expertise issued by Dr. Gerd Spitzer, Bad Harzburg, from April 18, 2021. The work will be included into the forthcoming catalog raisonné. Called up: June 17, 2021 - ca. 17.38 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 300

Georg Kolbe - - 1877 Waldheim/Sachsen - 1947 Berlin Junge Frau. 1926. Bronze mit schwarz-brauner Patina. Auf dem Sockel mit dem Monogramm, dem Gießerstempel 'H.Noack Berlin Friedenau' und der Bezeichnung 'I' sowie mit dem Stempel 'made in Germany'. Eines von 10 Exemplaren. Höhe: 128,5 cm (50,5 in). Gegossen von der Kunstgießerei Hermann Noack, Berlin-Friedenau, vor 1940. Generell wurden nur Güsse für den Export in die USA nummeriert, und zwar mit '1' und '2', da für die ersten beiden Güsse niedrigere Einfuhrzölle erhoben wurden; die Nummerierung sagt jedoch in der Regel nichts über die zeitliche Reihenfolge der Güsse aus und ist aus Gründen der Steuerersparnis vereinzelt auch doppelt vergeben worden. • Lebzeitguss. • Neben dieser Bronze wurde kein weiteres Exemplar bisher auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten. • Ein Bronzeguss der 'Jungen Frau' steht seinerzeit auf der Terrasse von Kolbes Haus. • Aus der namhaften Sammlung Henry Ford, dem Präsidenten der Ford Motor Company. PROVENIENZ: Sammlung Mrs. Henry Ford II, Palm Beach/London. Privatsammlung USA. LITERATUR: Ursel Berger, Georg Kolbe - Leben und Werk, mit dem Katalog der Kolbe-Plastiken im Georg-Kolbe-Museum, Berlin 1990, vgl. S. 290 und 291. 'Kolbe ist von meinen Berliner Bekanntschaften die einheitlichste und stärkste Persönlichkeit. Sieht man ihn inmitten seiner Werke in seinem Atelier, so wird jedes Wort, jede Frage überflüssig. Man hat das Gefühl, dieser Mann ist mit seinem Werk so eins, daß nichts Unnötiges aus seiner Hand entstehen kann.' Günter von Scheven über Georg Kolbe 17.1.1932, zit. nach: Maria Frfr. von Tiesenhausen, Georg Kolbe. Briefe und Aufzeichnungen, Tübingen 1987, S. 129 Georg Kolbe ist einer der erfolgreichsten Bildhauer seiner Zeit. Zunächst studiert Kolbe Malerei in Dresden und München. Nach einem Studienaufenthalt in Paris, wo er mit dem plastischen Werk von Rodin in Berührung kommt, wechselt Kolbe zur Bildhauerei. Mittlerweile in Berlin ansässig, kann Georg Kolbe seinen künstlerischen Durchbruch erzielen, als seine in der Ausstellung der Berliner Secession viel beachtete Skulptur 'Tänzerin' (1911/12) von Ludwig Justi für die Sammlung der Nationalgalerie angekauft wird. Der Erste Weltkrieg unterbricht seine künstlerische Entwicklung, er kehrt aber unversehrt im Januar 1919 nach Berlin zurück und kann an seine Erfolge vor dem Krieg anknüpfen. Paul Cassirer widmet Kolbe im Herbst 1921 eine Einzelausstellung. 1927 nimmt er an einer großen Ausstellung im Glaspalast in München teil. Die Skulptur 'Junge Frau' entsteht auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Sie ist wohl nach demselben Modell wie die 'Kniende' geformt. Ganz entspannt steht sie vor uns, elegant hat sie den Kopf leicht zur Seite geneigt, das sensible Gesicht mit den halb geschlossenen Augen von uns abgewendet. In ihrer Schönheit und Nacktheit ruht sie ganz in sich. Kolbe zielt nicht auf eine große Raumwirkung ab, sondern stellt eine in sich geschlossene Figur dar, die aber gerade durch die Ruhe, die sie ausstrahlt, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Ohne große Gesten, in einer vermeindlichen Einfachheit der Darstellung erzielt er bei aller Zurückgenommenheit und Zartheit einen eindringlichen Ausdruck des Gleichklangs von Körper und Seele. Ein Guss der 'Jungen Frau' stand auf der hinteren Terrasse von Kolbes Haus in Berlin in der Sensburger Allee. Bei einem Bombenangriff in Berlin am 16.12.1943 schlug eine Bombe unmittelbar dort ein. Die Skulptur wurde durch die Luft geschleudert und nur der Kopf blieb erhalten. Kolbe ließ den Kopf restaurieren und sockeln, er blieb bis zu seinem Tod in seinem Besitz und zeigt die besondere Verbundenheit des Bildhauers zu dieser Figur. [SM] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 17.00 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird differenzbesteuert, zuzüglich einer Einfuhrumsatzabgabe in Höhe von 7 % (Ersparnis von etwa 5 % im Vergleich zur Regelbesteuerung) oder regelbesteuert angeboten (N).ENGLISH VERSIONGeorg Kolbe -1877 Waldheim/Sachsen - 1947 Berlin Junge Frau. 1926. Bronze with black brown patina. Base with monogram, foundry mark 'H.Noack Berlin Friedenau' and inscription 'I' as well as with the stamp 'made in Germany'. One of 10 casts. Height: 128.5 cm (50.5 in). Cast before 1940 by art foundry Hermann Noack, Berlin-Friedenau. Only U.S. export casts were numbered '1' and '2', as lower import tax was levied on the first two casts; the number itself does not índicate the chronological order the casts were made in. For tax saving reasons some of the sculptures were assigned more than one number. • Lifetime cast. • Apart from this bronze to date no other copy has been offered on the international auction market. • A bronze cast of the 'Junge Frau' used to adorn the patio of Kolbe's residence. • From the notable collection of Henry Ford, president of the Ford Motor Company. PROVENANCE: Collection Mrs. Henry Ford II, Palm Beach/London. Private collection USA. LITERATURE: Ursel Berger, Georg Kolbe - Leben und Werk, with the catalog of the Kolbe sculptures at the Georg-Kolbe-Museum, Berlin 1990, cf. pp. 290 and 291. 'Among my Berlin acquaintances Kolbe is the one with the strongest personality. If you see him among all his works in his studio, every question becomes needless. You feel that this man is one with his work, that [sic!] nothing unneccesary will ever come from his hand.' Günter von Scheven about Georg Kolbe on January 17, 1932, quote from: Maria Frfr. von Tiesenhausen, Georg Kolbe. Briefe und Aufzeichnungen, Tübingen 1987, p. 129 Georg Kolbe was one of the most successful sculptors of his time. Kolbe initially studied painting in Dresden and Munich. After studying in Paris, where he came into contact with Rodin's sculptural work, Kolbe switched to sculpting. Now based in Berlin, Georg Kolbe had his artistic breakthrough when Ludwig Justi bought his sculpture 'Dancer' (1911/12) - which was highly acknowledged an exhibition at the Berlin Secession - for the collection of the Nationalgalerie. The First World War interrupted his artistic development, but he returned to Berlin unharmed in January 1919 and was able to build on the success he had before the war. Paul Cassirer dedicated a solo exhibition to Kolbe in the autumn of 1921. In 1927 he took part in a large exhibition at the Glaspalast in Munich. The sculpture 'Junge Frau' (Young Woman) was made at the peak of his creation, presumably after the same model as the 'Knieende' (Kneeling Woman). She stands in front of us in a completely relaxed pose, elegantly tilting her head just a little to one side, turning her face with the eyes half-closed away from us. In her beauty and nudity, she entirely rests within herself. Kolbe did not aim to create any spatial effect, but rather wanted to render a self-contained figure. However, she attracts the viewer's attention precisely because of the calm appeal she emanates. Without any grand gestures and in an allegedly simplified representation, he attained a striking expression of a harmony of body and soul despite all its tenderness. A cast 'Junge Frau' adorned the patio of Kolbe's residence on Sensburger Allee in Berlin. In an air raid on Berlin on December 16, 1943, a bomb landed exactly there and destroyed the sculpture of which only the head survived. Kolbe had the head restored and put it on a pedestal; it remained in his possession until his death and testifies to the sculptor's special bond with this figure. [SM] Called up: June 18, 2021 - ca. 17.00 h +/- 20 min. This lot can be subjected to differential taxation plus a 7% import tax levy (saving approx. 5 % compared to regular taxation) or regular taxation (N).

Lot 314

Willi Baumeister - - 1889 Stuttgart - 1955 Stuttgart Heitere Bewegung auf Rosa. 1946. Öl mit Kunstharz auf Karton, auf Holz. Beye/Baumeister 1293. Rechts unten signiert und datiert '7.46'. 35,6 x 46,2 cm (14 x 18,1 in). • Aus der bedeutenden Werkreihe der 'Figurenmauern' (1942-1950), in der Baumeister meisterlich mit prähistorischen Assoziationen spielt. • Die heiteren Figurenmauern und Landschaften der Nachkriegszeit gehören nach Grohmann zu dem Besten, was Baumeister gemacht hat. • Herausragende Komposition in seltener, sanft rosa Farbgebung von musealer Qualität. • Willi Baumeister gilt als Protagonist der deutschen Nachkriegsmoderne und war Teilnehmer der documenta I (1955), II (1959) und III (1964). PROVENIENZ: Dr. Henning Gran, Oslo. Galerie Schlichenmaier, Grafenau. Galerie Bayer, Bietigheim-Bissingen (wohl seit 1997, Lempertz 22.11.1997). Privatsammlung Norddeutschland (1998 vom Vorgenannten erworben). LITERATUR: Kunsthaus Lempertz, Köln, Auktion 750, 22.11.1997, Kat. S. 22, Nr. 653 (mit Abb. Farbtafel 84). Will Grohmann, Willi Baumeister - Leben und Werk, Köln 1963, S. 104, Kat.-Nr. 942 (mit Abb., Titel: Heitere Bewegung auf Rosa I). 'Die sogenannte 'abstrakte' Malerei ist nicht abstrakt im Sinne von Fremdheit zum Leben und Menschen. Die Empfindungen des Künstlers sind ganz natürliche. Eine senkrechte, gerade Linie vermittelt einen ganz bestimmten Empfindungswert. Eine gekurvte Linie oder ein Fragezeichen löst dagegen andere Empfindungen aus. Ebenso ergeben die einzelnen Farben bestimmte Reaktionen. Kontrastwirkungen entstehen durch exakte Formen im Gegensatz zu malerischen, wolkigen Auflösungen.' Willi Baumeister, Die Natur in der abstrakten Kunst, zit. nach: Wissen und Leben 1, Stuttgart 1952. Bereits Anfang der 1930er Jahre beginnt Baumeister sich für Strukturen zu interessieren, die dem Bildgrund eine aufgelockert-lebendige Oberfläche verleihen. Er wird, wie im vorliegenden Gemälde, zum Träger einer fast linearen, grafischen Komposition, die schemenhaft über den Bildgrund geistert. Urzeitliches wird evoziert, ein Phänomen, das Baumeister in mehreren seiner Werkzyklen als grundlegendes Thema wählt, da der Künstler sich intensiv mit der Ur- und Frühgeschichte beschäftigt. Er sammelt etwa Fossilien, vorzeitliche Gefäße und Steinbeile und setzt sich intensiv mit den Ursprüngen der Kunst in der frühen Steinzeit auseinander, indem er die Maltechniken der steinzeitlichen Fels- und Höhlenmalerei erforscht. Die locker angeordneten Formen und Farbflächen in 'Heitere Bewegung auf Rosa' vermitteln eine heitere Schwerelosigkeit, die Raum für vielerlei Assoziationen lässt. Assoziationen an musikalische Tempi sind oft werkbestimmend. Hier wird mit leichter Hand das Urzeitliche in ein burleskes Gewand gekleidet und so aller Sinnenschwere enthoben. Der feine Humor, der diese Komposition begleitet, findet in der zart tänzerischen Art, in der sich die schemenhaft angedeuteten Figuren über den rosa Fond bewegen, seine Entsprechung. Durch den Einsatz von Kunstharz erzielt Baumeister eine mauerputzartig strukturierte Oberflächenwirkung, die den prähistorischen Charakter des dargebotenen Formenrepertoires noch zusätzlich unterstreicht. Die mauerhafte Präsenz der Komposition wird durch die trockene Malweise und Fragmentierung sowie die bildfüllende Anordnung der Formen noch gesteigert. Weitere Arbeiten aus der Werkreihe der 'Figurenmauern' befinden sich u. a. in den Sammlungen des Osthaus Museums in Hagen, der Nationalgalerie Berlin sowie der Staatsgalerie Stuttgart. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 17.28 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONWilli Baumeister -1889 Stuttgart - 1955 Stuttgart Heitere Bewegung auf Rosa. 1946. Oil with synthetic resin on board, on panel. Beye/Baumeister 1293. Lower right signed and dated '7.46'. 35.6 x 46.2 cm (14 x 18.1 in). • From the important work series 'Figurenmauern' (Figure Walls, 1942-1950), in which Baumeister renders a masterful play with pre-historic associations. • Grohmann calls the merry figure walls and landscapes from the post-war era the best that Baumeister ever created. • Excellent composition in rare soft rose colors and of museum quality. • Willi Baumeister is the protagonist of German post-war modernism and participated in documenta I (1955), II (1959) and III (1964). PROVENANCE: Dr. Henning Gran, Oslo. Galerie Schlichenmaier, Grafenau. Galerie Bayer, Bittigheim-Bissingen (presumably since 1997, Lempertz November 22, 1997). Private collection Northern Germany (acquired from aforementinoned in 1998). LITERATURE: Kunsthaus Lempertz, auction 750, Cologne November 22, 1997, cat. p. 22, no. 653 (with color illu. on plate 84). Will Grohmann, Willi Baumeister - Leben und Werk, Cologne 1963, p. 104, cat. no. 942 (with illu., titled: Heitere Bewegung auf Rosa I). 'So-called 'abstract' painting is not abstract in a sense of alienation from man and life. The artist's sensations are very natural. A straight vertical line conveys a certain perceptual value that everyone can perceive the same way. A curved line or a question mark trigger different sensations. The same is true for the reactions that colors evoke. Contrast effects come from exact forms contrasted with cloudy dissolutions.' Willi Baumeister, Die Natur in der abstrakten Kunst, quote from: Wissen und Leben 1, Stuttgart 1952 From the early 1930s on Baumeister began to develop an interest in structures that had the right properties to both animate and decentralize the pictorial ground. This approach becomes obvious in the painting offered here, where the pictorail ground becomes carrier of an almost linear, graphic composition. Primeval associations are evoked, a phenomenon that Baumeister chose as a fundamental theme in several of his work cycles, since the artist had a deep interest in pre- and protohistory. He collected fossils, ancient vessels and stone axes and examined the origins of art in the early Stone Age by looking into the techniques of Stone Age rock- and cave painting. The loosely arranged forms and colored surfaces in 'Heitere Bewegung auf Rosa' (Merry Motion on Rose) convey a cheerful weightlessness that leaves room for all kinds of associations. Associations with musical tempos often determine the work. Here, with a light hand, the primeval aspect is disguised in a burlesque robe and thus free from burdensome meaning. The subtle humor that accompanies this composition is reflected in the delicately dancing manner in which the shadowy figures move across the pink background. By using synthetic resin, Baumeister achieves a plaster-like surface effect, which underlines the prehistoric character of the presented repertoire of forms. The wall-like presence of the composition is heightened by the dry style of painting and the fragmentation and image-filling arrangement of the forms. Further works from the series of the 'Figurenmauern' (Figure Walls) are at, among others, the Osthaus Museum in Hagen, the Nationalgalerie in Berlin and the Staatsgalerie in Stuttgart. [JS] Called up: June 18, 2021 - ca. 17.28 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 330

Lesser Ury - - 1861 Birnbaum - 1931 Berlin Brandenburger Tor vom Pariser Platz aus gesehen. 1928. Pastell auf Malpappe. Links unten signiert. 35 x 50 cm (13,7 x 19,6 in). • Exemplarisches Werk, das alle charakteristischen Elemente von Urys Berliner Ansichten auf einzigartige Weise vereint: Lichteffekte, auf Fahrgäste wartende Autos und Menschen im Treiben der modernen Großstadt. • So zentral wie in keinem anderen Werk, rückt Ury hier das Brandenburger Tor als monumentales Symbol Berlins in den Fokus. • Besonders effektvolle, lichtdurchwirkte Berliner Szene in meisterhaft impressionistischer, atmosphärischer Pastelltechnik. • Koloristisch eine der besten Arbeiten des Spätwerks, die in der Spiegelung der regennassen Straße ein schillerndes Farbenspiel darbietet. • Malerische Inszenierung der rauschhaften Goldenen Zwanziger Jahre Berlins und des modernen, emanzipierten Frauentyps. • Zwei Wochen nach dem Mauerfall am 9. November 1989 für die Sammlung der Deutschen Bank als Arbeit von historischer und zukünftiger Bedeutsamkeit erworben. Mit einem Foto-Gutachten von Dr. Sibylle Groß, Werkverzeichnis Lesser Ury, Berlin, vom 1. März 2021. PROVENIENZ: Möglicherweise Sammlung Regierungsrat Dr. jur. Paul Heck, Berlin/Dresden (bis 1936, Lepke, 24.-26.06.1936). Möglicherweise Sammlung Schmidt, o.O. (1936 vom Vorgenannten erworben, Lepke, 24.-26.06.1936). Privatsammlung Niedersachsen (bis 1989, Villa Grisebach, Berlin, 24.11.1989). Sammlung Deutsche Bank (vom Vorgenannten erworben, Villa Grisebach, Berlin, 24.11.1989). LITERATUR: Möglicherweise Rudolph Lepke, Berlin, Auktion am 24.-26.06.1936, Los 140. Villa Grisebach, Berlin, 10. Auktion, 24.11.1989, Los 8 (mit Abb.). Lesser Ury ist unbestritten einer der Maler, die aufs Engste mit der Darstellung der Großstadt Berlin verwoben sind. Nach dem Tod des Vaters zieht Ury bereits im Alter von zehn Jahren mit seiner Mutter dorthin. Sein Kunststudium absolviert er in Düsseldorf, danach folgt ein Aufenthalt in Brüssel und schließlich die für sein Schaffen prägende Parisreise im Jahr 1880. Als er auf einer weiteren Reise in die Niederlande Max Liebermann und Fritz Uhde kennenlernt, folgt er deren Empfehlung und lässt sich 1887 endgültig in der damaligen Hauptstadt nieder. Es entstehen erste Stadtansichten, in denen Ury das pulsierende Leben der modernen Stadt in den Blick nimmt. Der Kunstkritiker Adolph Donath erkennt als einer der Ersten die Besonderheit von Urys Arbeiten, die in ihrer impressionistischen Malweise in Berlin ihrer Zeit voraus sind und erstmals den Motiven einer beschleunigten, wandelvollen Moderne gerecht werden: „die moderne Straße mit ihrem Jagen und Fauchen, ihren geschäftigen Menschlein, ihren behäbigen Pferdeomnibussen, ihren altväterlichen Droschken, die Großstadtstraße in der Dämmerung mit allen den wundersamen Sonnenreflexen auf Häusern und Asphalt, die Großstadtstraße am Abend und in der Nacht mit ihrem gelblichfahlen Gaslichterspiel und der sprühenden Strahlenglut der elektrischen Bogenlampen, das Großstadtcafé am Abend und in der Nacht mit seinem betäubenden Dunst aus Licht und Rauch.“ (Adolph Donath, Lesser Ury, Berlin 1921, S. 14). 1889 präsentiert Ury erstmals seine Werke zusammen mit Wilhelm Leibl, Fritz Uhde und Max Liebermann in der Galerie Gurlitt. Des Galeristen Bruder, der Kunsthistoriker und -kritiker Cornelius Gurlitt, hatte Urys erste Werke zunächst als Reihe von schwarzen und weißen Klecksen auf einem vorwiegend schwarzen Farbenragout bezeichnet (Cornelius Gurlitt, L. Ury und H. Thoma, in: Die Gegenwart, Berlin, 22. Februar 1890). Faszinierend und bedeutsam liest sich dagegen, welches visuelle Erweckungserlebnis anschließend beim Verlassen der Ausstellung für ihn folgte: „Ein gewaltiger Regenguss war eben niedergegangen. Die Straße triefte. Da, als ich die Linden einbog, offenbarte sich mir ein seltsames Bild. Der noch helle weiße Himmel war nur in einem Streifen zwischen den hohen Häusern und den kahlen Baumreihen zu sehen. Heller aber, glänzend funkelnd wie weißglühendes Metall lag die Straße vor mir, deren feuchte Fläche alles Licht des Himmels aufzufangen und auf das geblendete Auge zurückzuwerfen schien. Wagen auf Wagen rollte daher. Die glänzenden Decken der Coupés bildeten eine unruhig bewegte Schlangenlinie gegen das Brandenburger Tor zu, dessen mächtige Masse sich bleigrau gegen den Himmel abhob. Ebenso färbten feuchte Luft und der sinkende Tag die Häuserreihen, an der sich nur die milchweißen Bälle der elektrischen Lampen abzeichneten.“ (ebd., zit. nach Adolph Donath, S. 17f.). Durch Ury erfährt so die Stadt als Erlebnisraum, der täglich durchschritten wird, erstmals ästhetische Würdigung, die ihn ebenfalls zum Höhepunkt seines Schaffens führt. Seine Stadtansichten, die den ewigen Fluss der nervösen, elektrifizierenden Atmosphäre des Groß-Berlins der Weimarer Republik einfangen, bringen ihm Anfang der 1920 offizielle Anerkennung in Ankäufen durch Ludwig Justi für die Nationalgalerie sowie der Ernennung zum Ehrenmitglied der Berliner Secession durch Lovis Corinth. In unserer Ansicht rückt Ury das Brandenburger Tor am Ende der preußischen Prachtstraße Unter den Linden so zentral wie seltenst in den Fokus. Auf dem bedeutenden Pariser Platz, an dem sich die Akademie der Künste, Regierungsgebäude, die russische Botschaft sowie das Palais Max Liebermanns befinden, reihen sich die auf Fahrgäste wartenden Autos auf der Straße. Ungewöhnlich zentralperspektivisch setzt er das monumentale Emblem Berlins effektvoll vor das Gegenlicht des goldenen Himmels, der sich schillernd in der regennassen Straße spiegelt und dessen Licht die ganze Atmosphäre durchdringt. In der Mitte der Säulen, unter der Quadriga mit der Siegesgöttin, erscheint verschmolzen mit dem hellen Licht die elegante Berlinerin der Goldenen Zwanziger Jahre, der so ebenfalls ein malerisches Denkmal gesetzt wird. [KT] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.00 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regelbesteuert angeboten (R).

Lot 335

Gerhard Richter - - 1932 Dresden - lebt und arbeitet in Köln Abdallah. 2010. Acryllack hinter Glas. Online-Werkübersicht der Gemälde 917-59. Verso signiert und datiert sowie mit der Werknummer '917-59' bezeichnet. Unikat. 33 x 33 cm (12,9 x 12,9 in), inkl. Rahmung. • Bisher wurden erst 3 weitere Gemälde aus der 'Abdallah'-Folge auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten. • Richters Hinterglasgemälde sind wunderbare Zeugnisse herausragender technischer Meisterschaft und Innovationskraft. • Auf der glatten Oberfläche des Bildträgers lässt Richter in faszinierender Balance aus Kalkül und Zufall eindrucksvolle Farbstrukturen entstehen. • Mit seinen auf einem strengen Selektionsprozess basierenden Kompositionen hinter Glas, die Titel aus der fernöstlichen Märchenwelt von '1001 Nacht' tragen, eröffnet Richter einen weiten Assoziationsraum. PROVENIENZ: Galerie Fred Jahn, München. Privatsammlung Hessen (vom Vorgenannten erworben). LITERATUR: Gerhard Richter, Marian Goodman Gallery, London 2014, S. 7. Gerhard Richter: Streifen & Glas, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Kunstmuseum Winterthur, Köln 2013, S. 31. „Ich bin fasziniert vom Zufall, weil es ist ja fast alles Zufall. Wie wir beschaffen sind, warum ich nicht in Afrika geboren bin, sondern hier. Alles Zufall.' Gerhard Richter, November 2016. Nach vereinzelten experimentellen Versuchen beginnt Richter 2008 die Technik der Hinterglasmalerei für sich zu entdecken und für seine Malerei des kontrollierten Zufalls nutzbar zu machen. Es entstehen die Gemäldefolgen 'Sindbad' (2008), 'Aladin', 'Bagdad', 'Ifrit', 'Perizade' und 'Abdallah' (jeweils 2010), deren Titel allesamt ihren Ursprung in der reichen Kultur des Orientes haben. Richter hat diese Titel den Gestalten der islamischen Mythologie und der berühmten Märchensammlung '1001 Nacht' entlehnt, die um das Jahr 800 in Bagdad aus dem Mittelpersischen ins Arabische übersetzt wurde und von da an in der orientalischen und später auch der abendländischen Kultur große Verbreitung fand. Dass Richter diese Themenwelt des blühenden Abendlandes seinen abstrakten Schöpfungen gerade in einer Zeit zur Seite stellt, in welcher der Orient durch Krieg und Verwüstung des Irakkrieges gezeichnet ist, ist sicherlich kein Zufall. Gerhard Richter ist nicht nur ein Meister des malerischen Experimentierens im Spannungsfeld zwischen Kalkulation und Zufall, sondern auch ein Meister im Spiel mit der freien Assoziation. Richters orientalische Titel geben dem Betrachter Raum, die leuchtenden, abstrakten Farbverläufe mit den leuchtenden Farben des Orients oder deren fein strukturierte, hinter Glas fixierte Bewegung mit dem Formenrepertoire der arabischen Kalligrafie zu assoziieren. Und letztlich bleibt sogar eine Assoziation mit dem unkontrollierten Chaos der Zerstörung des Krieges nicht ausgeschlossen. Richter erklärt die leuchtenden, abstrakten Farbstrukturen, die das Ergebnis seiner meisterlichen Inszenierung des kalkulierten Zufalls sind, zu den Protagonisten seiner auf der Rückseite des Bildträgers gesetzten und dadurch faszinierend entrückten Komposition. Für dieses eindrucksvolle Ergebnis lässt Richter die Farbe zunächst auf einen Plexiglasträger fließen und greift in diesen zufälligen Prozess der Bildwerdung nur teilweise durch den Einsatz von Pinseln, Stäbchen und Spachteln ein. Schließlich überträgt Richter den gewünschten Ausschnitt der dabei entstandenen Komposition in einem perfektionierten Abklatschverfahren auf die Glasplatte, die diese marmorierten Farbstrukturen schließlich dauerhaft konserviert. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.10 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONGerhard Richter -1932 Dresden - lebt und arbeitet in Köln Abdallah. 2010. Acrylic lacquer behind glass. Online catalog raisonné of paintings 917-59. Verso signed and dated and inscribed with the work number '917-59'. 33 x 33 cm (12.9 x 12.9 in), incl. frame. • To date only 3 other paintings from the 'Abdallah' series have been offered on the international auction market. • Richter's reverse glass paintings are marvelous documents of his technical mastery and innovative power. • With a fascinating balance between calculation and coincidence Richter creates impressive color structures on the smooth surface of the image carrier. • Richter opens up a vast associative space with his reverse glass compositions based on a strict selection process and with titles from the Middle Eastern folk tales of One Thousand and One Nights. PROVENANCE: Galerie Fred Jahn, Munich. Private collection Hesse (acquired from aforementioned). LITERATURE: Gerhard Richter, Marian Goodman Gallery, London 2014, p. 7. Gerhard Richter: Streifen & Glas, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Kunstmuseum Winterthur, Cologne 2013, p. 31. 'I am fascinated by coincidence, because everything happens coincidental. The way we are, why I wasn't born in Africa but here. It's all coincidence.' Gerhard Richter, November 2016. After a few experimental attempts, Richter discovered the technique of reverse glass painting as a means of artistic creation in 2008 and began to employ it for his painting of controlled chance. This led to the series of paintings 'Sindbad' (2008), 'Aladin', 'Bagdad', 'Ifrit', 'Perizade' and 'Abdallah' (each from 2010), of which all carry titles with origins in the rich culture of the Orient. Richter borrowed these titles from the characters of Islamic mythology and the famous collection of fairy tales '1001 Nights', which was translated from Middle Persian into Arabic in Baghdad around the year 800 and from then on was widely spread aroud he world, first in oriental cultures and later also in western cultures. It is certainly no coincidence that Richter puts this theme of a flourishing West alongside his abstract creations at a time when the oriental country of Iraq id torn by war and devastation. Gerhard Richter is not only a master of artistic experiments in a field between calculation and chance, but also a master in playing with free associations. Richter's oriental titles give the viewer room to associate the luminous, abstract color gradients with the luminous colors of the Orient or their finely structured movement fixed behind the glass with the repertoire of forms of Arabic calligraphy. And ultimately, an association with the uncontrolled chaos of the destruction of war cannot be excluded, either. Richter makes the luminous, abstract color structures, which are the result of a masterly staged calculated coincidence, the protagonists of his composition. The fact that they are executed on the back of the image carrier adds a mesmerizing aura. In order to realize this impressive result, Richter first lets the paint flow onto an acrylic glass panel and only partially intervenes in this random process of image creation through the use of brushes, sticks and spatulas. Finally, Richter transfers the desired section of the resulting composition onto the glass plate in a perfect copying process and permanently preserves these wonderful marbled color structures. [JS] Called up: June 18, 2021 - ca. 18.10 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 341

Heinrich Hoerle - - 1895 Köln - 1936 Köln Fabrikarbeiterin. 1926. Mischtechnik. Öl, Kohle und Farbstift auf Papier, auf Leinwand kaschiert. Backes Öl/Nr. 24 (mit Verbleib 'verschollen' gelistet). Rechts oben monogrammiert 'h'. Auf der Original-Holzunterlageplatte handschriftlich datiert '1926', betitelt und bezeichnet sowie mit dem Adressstempel des Künstlers. 40 x 36 cm (15,7 x 14,1 in). • Hoerle stellt uns die von einem schweren Leben gezeichnete Physiognomie in einer Schärfe und Sachlichkeit gegenüber, die an das zeitgleiche Schaffen von Otto Dix erinnert, sich aber durch seine formale Stilisierung davon abhebt. • Aus der Zeit der 'Kölner Progressiven', die seit 1924 in Kollektivausstellungen u. a. in Amsterdam, Paris und Chicago vertreten sind. • Aktuell ist Hoerles Werk in der großen Überblicksschau 'Vision und Schrecken der Moderne. Industrie und künstlerischer Aufbruch' (2020/2021) im Von der Heydt-Museum, Wuppertal, vertreten. • 1936 stirbt Hoerle mit 40 Jahren an Tuberkulose und hinterlässt ein kleines, aber qualitativ hochkarätiges Gesamtwerk. • Im Zuge der nationalsozialistischen Aktion 'Entartete Kunst' werden 21 Werke von Heinrich Hoerle aus deutschen Museen beschlagnahmt und teilweise vernichtet. PROVENIENZ: Privatsammlung Europa (seit 2010, Van Ham 2.12.2010). AUSSTELLUNG: Richmod Galerie, Köln, 1926, o. P., Kat.-Abb. (hier datiert 1926). LITERATUR: Das elegante Köln. Halbmonatsschrift für Mode, Kunst, Kultur, Jg. 1928, H. 1, S. 4 (mit SW-Abb.). Hans Schmitt-Rost, Heinrich Hoerle, Monographie zur Rheinisch-Westfälischen Kunst der Gegenwart, Bd. 29, Recklinghausen 1965, S. 41 (mit SW-Abb.). Van Ham, Köln, Moderne und zeitgenössische Kunst, Auktion 2.12.2010, Los 75 (mit Abb.). 'Es muss in den frühen zwanziger Jahren gewesen sein, dass ich zum ersten Mal ein Bild von Heinrich Hoerle sah. Es faszinierte mich gleich. Ähnliches hatte man nie gesehen [..] Das Bild war sehr streng gebaut, zeigte wie Röhren aufragende Fabrikkamine, die auch Kanonen hätten sein können, dazu ein frontales Gesicht. Die Farbfelder schienen mit Zirkel und Lineal konstruiert. [..] Keine Sentimentalität, keine 'peinture', kein aus dem Farbauftrag herrührender Effekt. Das Bild hatte in seinen Mitteln etwas Nacktes, was für das ganze reife Werk von Hoerle typisch blieb.' Hans Schmitt-Rost, Kölnische Rundschau und Bonner Rundschau, 29.8.1970. Die Malerei Heinrich Hoerles - Zur Wiederentdeckung eines kleinen, hochkarätigen Œuvres Gerade einmal 96 Ölgemälde, von denen 28 als verschollen gelistet sind, verzeichnet das Werkverzeichnis des Kölner Malers Heinrich Hoerle. Auch das erst 2010 wiederentdeckte Gemälde 'Fabrikarbeiterin', das aufgrund seiner formalen Klarheit und sozialkritischen Schonungslosigkeit zu den Höhepunkten in Hoerles Schaffen zählt, galt im Erscheinungsjahr des Werkverzeichnisses noch als verschollen. Nach mehr als dreißig Jahren hat das herausragende, aber leider ab den 1970er Jahren in Vergessenheit geratene Werk Hoerles, der neben dem Fotografen August Sander und dem Maler Franz Wilhelm Seiwert zu den Protagonisten der Gruppe 'Kölner Progressive Künstler' zählt, erst 2008 in der Ausstellung des Museums Ludwig 'Köln progressiv 1920-33. Seiwert - Hoerle - Arntz' wieder die ihm gebührende museale Würdigung gefunden. Vor der nationalsozialistischen Aktion 'Entartete Kunst', der einige Gemälde Hoerles zum Opfer fallen, sind seine durch ihre reduzierte Klarheit verstörenden und zugleich begeisternden Werke bereits in den Sammlungen zahlreicher deutscher Museen und auf internationalen Ausstellungen vertreten. Heute befindet sich ein Großteil der Arbeiten in öffentlicher Hand in den Sammlungen des Museums Ludwig, Köln, und des Von der Heydt-Museums, Wuppertal. Vom Dadaismus zur Neuen Sachlichkeit - Die 'Fabrikarbeiterin' als sozialkritisches Meisterwerk Nach dem Ersten Weltkrieg ist Hoerle zunächst Teil der Kölner Dada-Gruppe um Max Ernst und Johannes Bargeld, löst sich aber bald wieder von Ernsts internationalen Dada-Bestrebungen, da er eine stärker national ausgerichtete, politischere Kunst anstrebt. Hoerle verbindet ab 1919 eine Freundschaft mit dem Künstlerkollegen Anton Räderscheidt, der mit Heinrich Hoerle und Hans Arp zunächst die Gruppe 'Stupid' und 1932 schließlich die 'Gruppe 32' mit Hoerle, Seiwert und Heinrich Maria Davringhausen gründet. Formal verschmilzt Hoerles klare, reduzierte Bildsprache Elemente der Neuen Sachlichkeit, des Konstruktivismus und des französischen Kubismus, inhaltlich jedoch wird sie getragen von sozialkritischen Tendenzen, die an das zeitgleiche Schaffen von Otto Dix erinnern. 'Fabrikarbeiterin' ist ein frühes und qualitativ herausragendes Meisterwerk dieser künstlerischen Bestrebungen, die unter anderem auch in Hoerles 'Krüppelmappe' und seinen Gemälden von den schwer gezeichneten Schreckensgestalten des Ersten Weltkrieges in schonungsloser Direktheit Ausdruck finden. Entindividualisierung durch Krieg und Industrialisierung - Hoerle, Dix und Grosz Hoerles 'Fabrikarbeiterin' zeigt mit den von einem schweren Leben gezeichneten Gesichtszügen deutliche Parallelen etwa zu Dix’ berühmtem 'Bildnis der Eltern', das er in zwei Versionen geschaffen hat (Kunstmuseum Basel / Sprengel Museum, Hannover) und zu seinem Gemälde 'Frau mit Kind' in den Staatlichen Kunstsammlungen, Dresden, wobei Hoerle sich aufgrund seiner stärkeren Stilisierung und strengen formalen Reduktion deutlich stärker vom realistischen Vorbild emanzipiert. Dahingehend zeigt Hoerles 'Fabrikarbeiterin' deutliche Parallelen zu dem zeitgleichen Schaffen des Berliners George Groszs, der in seinem Gemälde 'Grauer Tag' (1921, Nationalgalerie Berlin) die beziehungslosen Typisierungen eines gesichtslosen Arbeiters, eines Kriegskrüppels und eines Magistratsbeamten der Kriegsgeschädigtenfürsorge vor rauchenden Fabrikschloten inszeniert. Wie auch für Dix und Grosz sind für den Rheinländer Hoerle die 1920er Jahre keine 'Goldenen Zwanziger'. Hoerles Malerei präsentiert uns vielmehr das Bild einer verlorenen Generation von Kriegskrüppeln und Fabrikarbeitern, die uns durch ihre entindividualisierte Arbeit schwer gezeichnet oder als zu Maschinenmännern verwandelte Automaten gegenübertreten. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.22 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 344

Alexej von Jawlensky - - 1864 Torschok - 1941 Wiesbaden Kleiner Kopf. Um 1922. Öl auf Malkarton. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 2248. Links unten monogrammiert. 17,8 x 14 cm (7 x 5,5 in). • Jawlensky hat die Abstraktion des menschlichen Antlitzes in seinem Werk auf die Spitze getrieben. • Wunderbares, farbharmonisches Zeugnis von Jawlenskys radikal reduzierter Formensprache nach dem Ersten Weltkrieg. • Seit mehr als 60 Jahren Teil einer bedeutenden europäischen Privatsammlung. • Jawlenskys progressive Stilisierung des menschlichen Antlitzes zeigt deutliche Parallelen zu den zeitgleichen Schöpfungen Amedeo Modiglianis und Constantin Brancusis. PROVENIENZ: Fräulein Ehrod, o. O. Christel Zapfe, Köln (von der Vorgenannten durch Erbschaft erhalten, bis 1958, Stuttgarter Kunstkabinett, 20./21.5.1958). Galerie Wolfgang Ketterer, Stuttgart (1958 von der Vorgenannten erworben). Privatsammlung Frankreich (seit 1958, wohl vom Vorgenannten erworben). Privatsammlung Belgien (vom Vorgenannten durch Erbschaft erhalten). LITERATUR: Stuttgarter Kunstkabinett, 31. Auktion. Moderne Kunst; 20./21.5.1958, Los 432 (ohne Abb.). Einige Jahre habe ich diese Variationen gemalt, und dann war mir notwendig, eine Form für das Gesicht zu finden, da ich verstanden hatte, daß die große Kunst nur mit religiösem Gefühl gemalt werden soll. Und das konnte ich nur in das menschliche Antlitz bringen.' Alexej von Jawlensky, zit. nach: Tayfun Belgin, Alexej von Jawlensky. Eine Künstlerbiographie, Heidelberg 1998, S. 103. Mit Kriegsausbruch ist der gebürtige Russe Jawlensky 1914 gezwungen, mit seiner Familie und Marianne von Werefkin München zu verlassen und ins schweizerische Exil zu gehen. Er lässt sich zunächst im kleinen Dörfchen Saint-Prex am Genfer See nieder. Jawlensky mietet dort eine Wohnung und hat nun kein eigenes Atelier mehr, sondern nur ein kleines Arbeitszimmer, dessen Fensterausblick fortan grundlegend wird für die zunächst werkbeherrschende Serie der 'Variationen über ein landschaftliches Thema', die während der in der Schweiz verbrachten Jahre entsteht. Im Oktober 1917 jedoch verlässt Jawlensky den kleinen, einsamen Ort Saint-Prex, um sich mit Marianne von Werefkin, Helene Nesnakomoff und dem gemeinsamen Sohn Andreas in Zürich niederzulassen. Dort wendet sich der Künstler wieder verstärkt der Darstellung des menschlichen Antlitzes zu und es entsteht zunächst die Werkserie der 'Mystischen Köpfe'. Ausgehend von einem Porträt, das Jawlensky 1917 von seiner jungen Bewunderin und späteren Vertragshändlerin Emmy 'Galka' Scheyer in Zürich anfertigt, gelingt es Jawlensky in dieser initiierenden Werkfolge, eine erste, mutige Stilisierung der Kopf-Motivik zu entwickeln, die für seine anschließenden, weiterhin dem menschlichen Antlitz gewidmeten Werkfolgen der 'Heilandsgesichter' - zu der unsere farbstarke Komposition zählt -, der 'Abstrakten Köpfe' und schließlich der 'Meditationen' in entscheidender Weise wegweisend ist. Kunsthistorisch bedeutend sind die strenge formale Reduktion und Stilisierung dieser Bildnisse, die das traditionell abbildende Sujet des Porträts weit hinter sich lassen. Wunderbar sind die sanft schwingende Form- und Farbgebung, die großen geschlossenen Augen und die auf ein Minimum reduzierte Linienführung. Stirn, Lider und Wangen setzen sich aus mehreren, klar getrennten Farbfeldern zusammen und entwickeln einen außerordentlichen, nahezu abstrakten Farbklang, der in seiner Gänze wohl kaum harmonischer sein könnte. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.28 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONAlexej von Jawlensky -1864 Torschok - 1941 Wiesbaden Kleiner Kopf. Um 1922. Oil on board. Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 2248. Lower left monogrammed. 17.8 x 14 cm (7 x 5.5 in). • Jawlensky brought the abstraction of the human face to perfection. • Marvelous document of Jawlensky's radically reduced style afte World War I. • Privately-owned for more than 60 years. • Jawlensky's progressive stylization of the human face shows similarity to the creations of Amedeo Modigliani and Constantin Brancusi. PROVENANCE: Miss Ehrod, no place. Christel Zapfe, Cologne (inherited from above - until 1958, Stuttgarter Kunstkabinett, May 20/21, 1958). Galerie Wolfgang Ketterer, Stuttgart (acquired from above). Private collection France (since 1958, presumably acquired from above). Private collection Belgium (inherited from above). LITERATURE: Stuttgarter Kunstkabinett, 31st auction. Modern Art; May 20/21, 1958, lot 432 (no illu.). I made these variations for several years, and then I had to find a form for the face, as I had understood that real art can only be creatd with religious sensation. And the human face is the only way to express that.' Alexej von Jawlensky, quote from: Tayfun Belgin, Alexej von Jawlensky. Eine Künstlerbiographie, Heidelberg 1998, p. 103. When the war broke out in 1914, the native Russian Jawlensky was forced to leave Munich with his family and Marianne von Werefkin, and went into exile in Switzerland. He first settled in the small village of Saint-Prex on Lake Geneva, where Jawlensky rented an apartment, which meant that he no longer had his own studio. Instead he worked in a small study, with a window that offered a view that would be of fundamental significance for the series of 'Variations on a Landscape Theme', which initially dominated the works that came into existence during the years spent in Switzerland. In October 1917, however, Jawlensky left the small, remote town of Saint-Prex and settled in Zurich with Marianne von Werefkin, Helene Nesnakomoff and their son Andreas. There the artist again turned to the representation of the human face, which was the birth of the famous series 'Mystical Heads'. Based on a portrait that Jawlensky made of his young admirer and later authorized dealer Emmy 'Galka' Scheyer in Zurich in 1917, Jawlensky succeeded in developing a first, courageous stylization of the head motif in this series of works, which led to subsequent works with a focus on the human face, the series of the 'Heilandsgesichter' (Savior's Faces), to which our colorful composition belongs. In the following he conceived the 'Abstract Heads' and finally the 'Meditations'. The strict formal reduction and stylization of these portraits, which go far beyond the traditional depiction of the portrait’s subject, was seminal in art history. The gently swinging forms and colors, the large closed eyes and lines reduced to a minimum are wonderful. Forehead, eyelids and cheeks are made up of several clearly separated color fields and develop an extraordinary, almost abstract color tone, which in its entirety could hardly be more harmonious. [JS] Called up: June 18, 2021 - ca. 18.28 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 347

Jan Schoonhoven - - 1914 Hof van Delft - 1994 Delft R 71-18. 1971. Relief. Pigment und Papiermaché auf Holz. Verso signiert, datiert, betitelt und bezeichnet sowie mit Richtungspfeilen. 104 x 202 cm (40,9 x 79,5 in). • Von größter Seltenheit. • Bisher wurde noch kein Relief in dieser Größe auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten. • Weitere großformatige, frühe Reliefs befinden sich heute in Museumsbesitz, darunter das Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam, und die Stiftung Kunst im Landesbesitz Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. • Kleinformatigere Reliefs befinden sich in zahlreichen bedeutenden internationalen Sammlungen wie dem Museum of Modern Art, New York, und der Tate Modern, London. • 2014/15 war Schoonhovens Werk auf den großen 'ZERO'-Schauen im Solomon R. Guggenheim Museum, New York, und im Martin Gropius Bau, Berlin, zu sehen. Wir danken Herrn Antoon Melissen, Amsterdam, für die wissenschaftliche Beratung. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis aufgenommen. PROVENIENZ: Aus einer wichtigen europäischen Privatsammlung (direkt vom Künstler erworben). 'The square is perhaps the purest of the basic shapes, a kind of frame of reference for all the others.' Jan Schoonhoven, 1972, zit. nach: Jan Schoonhoven, Delftse meester, De Telegraaf, 12.1.1972. Schoonhovens monochrom-weiße Reliefs - Faszinierende Klarheit und Radikalität Schoonhovens Reliefs faszinieren durch ihre formale Klarheit, ihre künstlerische Radikalität und ihre technische Perfektion. Bereits 1972 im Katalog zur Schoonhoven-Ausstellung in Mönchengladbach wird ihr einzigartiger Charakter als 'Cool, strictly ordered, well-considered. But also familiar, humane and intimate' beschrieben (zit. nach: A. Melissen, Jan Schoonhoven's silent white revolution, in: J. Schoonhoven, Galerie Zwirner, New York 2015, S. 15). Schoonhoven war ein Einzelgänger, der tagsüber seiner nicht-künstlerischen Tätigkeit in der Immobilienabteilung der niederländischen Post nachging, bevor er sich ab Ende der 1950er Jahre allabendlich am Esstisch seines Delfter Grachtenhauses der konzentrierten Arbeit an seinen Reliefs hingibt. Durch den räumlichen Kontext ihrer Entstehung sind die Formate seiner Reliefs meist auf ein Maximum von gut einem Meter im Quadrat beschränkt. Großformate wie 'R-71-18' sind eine absolute Seltenheit in Schoonhovens Werk. Jan Schoonhoven - Protagonist der niederländischen 'ZERO'-Bewegung 1956 entsteht mit 'Motel' sein erstes monochrom weißes Relief, das formal allerdings noch auf seinen zwar stark abstrahierten, aber noch figürlichen Kompositionen dieser Jahre basiert. Hier jedoch findet Schoonhoven bereits zu der sein weiteres Schaffen prägenden, antiakademischen Materialität des Papiermaché. Allerdings sollte erst die zunehmende formale Reduktion hin zu streng geometrischen Reihungen von Rechtecken oder Quadraten - wie in 'R 71-18' - in den Folgejahren für die Einbeziehung des lebendigen Spiels von Licht und Schatten grundlegend sein. Im Anschluss an die erste niederländische Ausstellung des Italieners Piero Manzoni, der ebenfalls für seine weißen Reliefbilder international bekannt ist, gehört Schoonhoven 1958 zu den niederländischen Mitbegründern der 'ZERO'-Bewegung. Erst in den Folgejahren finden Schoonhovens Reliefs zu ihrer charakteristischen formalen Strenge, für die architektonische Strukturen wie Mauern, Pflastersteine und Gitterabdeckungen zentrale Inspirationen liefern. 'R 71-18' - Das Quadrat als geometrische Basisform Der Grundstruktur des Quadrates kommt in Schoonhovens Schaffen eine entscheidende, geradezu prototypische Rolle zu, da der Künstler gerade dem Quadrat den reinsten Ausdruck einer geometrischen Grundform zuspricht, die für alle anderen geometrischen Formen grundlegend ist. Das großformatige Relief 'R 71-18' ist damit in besonderer Weise exemplarisch für Schoonhovens Schaffen: Es basiert auf der vervielfachten Reihung des Quadrates als geometrischer Basisform, aus deren Zusammenstellung Schoonhoven ein großes Rechteck entwickelt hat. Schoonhoven hat dafür 14 Reihen mit jeweils 28 Quadraten untereinandergesetzt und damit eine beeindruckende dreidimensionale Relieflandschaft aus 392 gleichgroßen Quadraten entworfen, die durch ihre formale Klarheit und optische Ruhe begeistert. Bereits formal bietet die streng geometrische Struktur seiner Reliefs keinen Raum für eine spontane, gestische künstlerische Handschrift. Darüber hinaus arbeitet Schoonhoven bald für die Ausführung seiner Reliefs mit Assistenten zusammen, da für ihn der eigentliche künstlerische Schaffensprozess allein in der Konzeption und im zeichnerischen Entwurf liegt. Dadurch hat Schoonhoven noch einmal mehr eine der zentralen künstlerischen Grundideen der niederländischen 'ZERO'-Bewegung, der Gruppe 'Nul', auf den Punkt gebracht: die konsequente Verneinung der individuellen künstlerischen Handschrift. In einem 1972 gedrehten filmischen Porträt, das Schoonhoven unter anderem bei der Arbeit an einem seiner Reliefs zeigt, hat der Künstler folgende Beschreibung des Schaffensprozesses geliefert: 'It's purely technical, what I'm doing here, nothing but pure handiwork. The artistry, the 'künstlerische', has naturally already occured when I made the design. A lot of thoughts went into that design, preceded by a process of drawing, and this is the final result. Everything is calculated, everything is evaluated' (zit. nach: ebd., S. 39). 'R 71-18' - Zur Seltenheit des Großformates in Schoonhovens Schaffen Jan Schoonhoven, dessen monochrom weißes Hauptwerk wie auch das Schaffen von Piero Manzoni, Lucio Fontana, Günther Uecker und Enrico Castellani zu den bedeutendsten Beiträgen der europäischen 'ZERO'-Kunst zählt, hat insgesamt wohl etwa 900 Reliefs hinterlassen, von denen jedoch der Großteil kleinformatig ist und wohl nur weniger als 20 Arbeiten in vergleichbar großem Format wie 'R 71-18' ausgeführt wurden. 'R 71-18' kommt deshalb in Schoonhovens Schaffen ein absoluter Seltenheitswert zu und wir freuen uns sehr, mit der herausragenden Arbeit 'R 71-18' erstmals ein bedeutendes Großformat des gefeierten niederländischen 'ZERO'-Künstlers auf dem internationalen Auktionsmarkt anbieten zu können. [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.34 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 350

Rupprecht Geiger - - 1908 München - 2009 München OE 250a (2 x Blau vor Rot). 1957. Öl auf Leinwand. Dornacher/Geiger 196. Verso auf der Leinwand unten rechts signiert. Verso auf dem Keilrahmen betitelt in schwarz '2 x Blau zu Rot', 'OE 250/57' sowie in Rot 'OE 250a', datiert und mit den Maßangaben versehen. 110 x 110 cm (43,3 x 43,3 in). [EH]. • Eine der wichtigen frühen Arbeiten noch ausgeführt in der klassischen Maltechnik. • Ein moduliertes Farbfeld und Kontrastfarbe bilden in Rupprecht Geigers Komposition Exponent und Kontrapunkt • Mit den für Rupprecht Geiger so wichtigen Farben Rot und Blau, die in späteren Jahren meist nur noch solitär auftauchen. • Aus der Sammlung der Deutschen Bank. Wir danken Frau Julia Geiger, Archiv Geiger, München, für die freundliche Auskunft. PROVENIENZ: Galerie Schoeller, Düsseldorf (1982 direkt vom Künstler). Sammlung Deutsche Bank (vom Vorgenannten erworben). AUSSTELLUNG: Rupprecht Geiger. Ölbilder und Graphiken von 1950 bis 1982, Fritz Winter Haus, Ahlen, 6.2.-25.4.1982 (verso auf dem Keilrahmen mit einem Etikett). Der 1908 geborene Rupprecht Geiger ist ausgebildeter Architekt und hat 1930-1932 auch eine Maurerlehre absolviert. Dies scheint auf den ersten Blick verwunderlich, doch ist dieser Werdegang in Hinsicht auf seine spätere künstlerische Entwicklung durchaus relevant: denn als Architekt ist der Raum und als Maurer der Umgang mit Materialien wesentlich. Erst während seines Kriegsdienstes in Russland kommt Rupprecht Geiger als Kriegsmaler zur Malerei und arbeitet bei Gemälden zunächst mit der Technik der Eitempera. Unmittelbar nach Kriegsende wendet er sich der Abstraktion zu, um sie im Sinne Kandinskys weiterzuführen. In den 1950er Jahren erlangt Rupprecht Geiger erste große Anerkennung. Dennoch muss er sich nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin mit architektonischen Fragen beschäftigen. Zum einen entstehen verschiedene Privatgebäude nach seinen Plänen, zum anderen beteiligt er sich an Ausschreibungen im Rahmen des Programms 'Kunst am Bau'. So entsteht z. B. das nunmehr denkmalgeschützte monumentale Plattenrelief des Münchner Hauptbahnhofs, das derzeit für einen späteren Wiedereinbau im neu zu errichtenden Gebäude eingelagert ist. Dort, wie auch bei dem vorliegenden Gemälde, entsteht der Eindruck, dass die Formen in einem undefinierten Raum zu schweben scheinen. Bei unserem Gemälde 'OE 250a (2x Blau vor Rot)' ist die vorherrschende Farbe Rot, in einem aus dem dunkel gehaltenen unteren Bereich herausmodulierten, immer kräftiger und leuchtender werdenden Signalton. Die Farbe Blau ist links unten mit einem klar abgegrenzten Rechteck präsent, vor einem weißen Horizont ruhend in dem oberen halbrunden Ausschnitt der dominierenden roten Farbmodulation. Mehrere wesentliche Aspekte der Kunst Rupprecht Geigers kulminieren in dieser Arbeit. Da ist das Experimentieren mit der Form zu nennen. Rechteck, Halbrund und Oval tauchen auf. Dies sind die Grundformen, mit denen er sich weiterhin beschäftigen wird. Frei von jeglicher Konstruktion legt Rupprecht Geiger die Farbflächen übereinander und gestaltet mehrere Farbräume im Bild. Es lässt sich gar nicht konkretisieren, ob die Flächen räumlich gestaffelt sind, vielmehr schweben sie mal voreinander und mal hintereinander. Zart modulierte Übergänge aus den für die frühen Jahre typischen abgedunkelten Bereichen führen zu strahlender Farbkraft, sowohl im Rot als auch im Blau vor Weiß. Schon in diesem Werk klingen die Formen und Themen an, welche wir in Geigers Bildern der Düsseldorfer Akademiezeit und seinem weiteren Schaffen wiederfinden werden. Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 18.40 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regelbesteuert angeboten (R).ENGLISH VERSIONRupprecht Geiger -1908 München - 2009 München OE 250a (2 x Blau vor Rot). 1957. Oil on canvas. Dornacher/Geiger 196. Signed in bottom right on verso of the canvas. Verso of the stretcher titled '2 x Blau zu Rot' and 'OE 250/57' in black as well as 'OE 250a' in red, there also dated and inscribed with the dimensions. 110 x 110 cm (43.3 x 43.3 in). [EH]. • One of the important early works still executed in the classic technique. • In Rupprecht Geiger's composition a modulated color field and a contrasting color make for exponent and counterpoint. • In Rupprecht Geiger's key colors red and blue, which in later years mostly appeared individually. We are grateful to Mrs Julia Geiger, Geiger archive, Munich, for the kind support in cataloging this lot. PROVENANCE: Galerie Schoeller, Düsseldorf (directly from the artist in 1982). Deutsche Bank Collection (acquired from aforementioned). EXHIBITION: Rupprecht Geiger. Ölbilder und Graphiken von 1950 bis 1982, Fritz Winter Haus Ahlen, February 6 - April 25, 1982 (with a label on verso of the stretcher). Born in 1908, Rupprecht Geiger pursued a career as an architect but also completed an apprenticeship as mason in 1930/32. While this appears odd at first sight, it is clearly of significance for his later artistic development: as space is of key relevance for he architect, while the mason is the master of the material. It was not before his military service in Russia that Geiger found his way to painting, as he was employed as war painter, making his first works in egg tempera. Immediately after the end of the war he turned to abstraction, which he sought to continue in the sense of Kandinsky. In the 1950s Rupprecht Geiger gained first recognition. However, it was also for financial reasons that he remained occupied with architectural questions, realizing both private building projects, as well as participating in tenders within the scope of the program 'Kunst am Bau' (Art and Architecture), in context of which he made the monumental relief for the Munich central station, today today a heritage landmark. As the station is currently subject to major reconstruction, the relief is temporarily put in storage and will be part of the new edifice in the future. In both the relief as well as in this painting the forms seem to float in an undefined space. In our work 250a/57 (2x Blau vor Rot) red is the dominant color, modulated from a dark lower part, it turns into a strong and bright signal color. The blue is represented both in a clearly outlined rectangle in lower left and resting in front of a white horizon in the upper semicircle cutout of the dominant red modulation. Several key elements of Rupprecht Geiger's art amass in this work, among them his joy in experimenting with forms, which becomes obvious through rectangle, semicircle and oval, elementary forms that he would continue to examine. Rupprecht Geiger superimposes the color fields free from any form of construction and thus integrates several color spaces into the picture. It is difficult to substantiate whether the fields are spatially staggered, as they more or less seem to float both before each other and one after another. Gently modulated transitions from the darker parts, a characteristic trait of his early years, lead to a radiant red, blue and white. This work here already hints at the forms and themes that we discover in his works from the time at the Düsseldorf Academy and throughout his later creation. Called up: June 18, 2021 - ca. 18.40 h +/- 20 min. This lot can only be purchased subject to regular taxation (R).

Lot 372

Erich Heckel - - 1883 Döbeln/Sachsen - 1970 Radolfzell/Bodensee Zwei ruhende Frauen. 1909. Farbholzschnitt. Dube H 176/ II. Signiert und datiert. Eines von bisher bekannten 10 Exemplaren, davon 5 ohne die roten Lippen der rechten Frau. Auf Bütten. 32,5 x 37 cm (12,7 x 14,5 in). Papier: 45,3 x 56,5 cm (17,8 x 22,1 in). [SM]. • Äußerst selten. • Prachtvolle Arbeit, in der die Ursprünglichkeit der Farbholzschnitte der 'Brücke'-Zeit voll zum Ausdruck kommt. • Monotypieartig abgezogener Holzschnitt bei dem die Struktur des Holzes fein mitzeichnet. • Cover des Auktionskataloges Klipstein & Kornfeld von 1958. • 3 der 10 Exemplare befinden sich in Museumsbesitz: Kupferstichkabinett Berlin, Nationalmuseum Nürnberg und Staatsgalerie Stuttgart. Wir danken Frau Renate Ebner und Herrn Andreas Gabelmann, den Autoren des im Oktober 2021 erscheinenden Werkverzeichnises der Druckgrafik Erich Heckel für die wissenschaftliche Beratung. PROVENIENZ: Privatsammlung. LITERATUR: Kornfeld & Klipstein, Bern, 90. Auktion, 16./17.5.1958, Los 349. Im 19. Jahrhundert hatte sich der Holzschnitt zur ausgefeilten Reproduktionsmethode entwickelt, mit der man die feinsten Schattierungen wiedergeben konnte. Der expressionistische Holzschnitt setzte demgegenüber vergleichsweise dilettantisch an. Die Hölzer wurden nicht mehr danach gewählt, wie geeignet sie waren, alle Feinheiten ohne Störung herauszuarbeiten. Der Widerstand des Materials wurde geradezu gesucht, sein Charakter, seine Maserung sollten sichtbar bleiben. An die Stelle der zarten Linien wurden kräftige Flächen gesetzt, statt geschmeidiger Formen bestimmten schroffe Schnitte das Bild. In dieser Art ist der Holzschnitt nicht nur charakteristisch für den Expressionismus geworden, sondern er hat auch wesentlich zu seiner Entwicklung beigetragen, denn er zwang dazu, den Raum in Fläche zu übersetzen. Erich Heckel hatte an dieser Entwicklung einen entscheidenden Anteil. Der Hamburger Sammler und Grafikkenner Gustav Schiefler erinnerte sich an Heckels ersten Besuch 1907: „Er kam von Dangast, wo er den Sommer über mit Schmidt-Rottluff gearbeitet hatte. Seine Holzschnitte waren derb, aber Form und Verhältnisse gaben ihnen ein stark bewegtes inneres Leben. Die Aufmerksamkeit, die er der Auswahl des Materials zwischen den verschiedenen Holzarten zuwandte, bewies die Sorgfalt, mit der er den Ausdrucksmöglichkeiten nachging. […] Ich wählte mir damals den Porträtkopf eines alten verwitterten Dangaster Schusters, den er in einen Stock aus uraltem, dem Moor entrissenen Eichenholz geschnitten hatte, und die Figur eines nackten tanzenden Mädchens“ (Gustav Schiefler, Meine Graphiksammlung, Hamburg 1974, S. 54). Die beiden Blätter zeigen deutlich Heckels Ausdrucksspanne, die dem verwendeten Material in Beziehung stand. Leider lassen sich diese Zusammenhänge nicht mehr überprüfen, da fast alle Holzstöcke Heckels im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Laut dem Werkverzeichnis von Annemarie und Wolf-Dieter Dube sind aus der Zeit vor 1944 nur zwei erhalten. Einen dritten Stock hatte frühzeitig das Magdeburger Museum erworben. Er ist verschollen. Gelegentlich hat Heckel seine Holzschnitte koloriert. Farbholzschnitte sind verhältnismäßig selten, aber nicht nur deshalb von herausragender Bedeutung. In den Jahren 1909 und 1910 hat Heckel jeweils vier Farbholzschnitte geschaffen, von denen manche zu den großartigsten Schöpfungen expressionistischer Grafik gehören. „Zwei ruhende Frauen“ ist mit fünf Farben der aufwendigste Druck unter ihnen. Er ist von zwei Platten abgezogen: einer Schwarzplatte und einer zersägten und in den Teilen einzeln rot, blau, ocker und grün eingefärbten Farbplatte. Bei den anderen Farbschnitten mit zersägten Platten ist auch das Schwarz mit den ausgesägten Teilen gedruckt, so dass die Farben nicht übereinanderliegen. Nur bei „Zwei ruhende Frauen“ wurden zunächst die Farbflächen gedruckt und anschließend mit einem zweiten Druckstock die Konturen und schwarzen Flächen darüber gesetzt. Das erkennt man bei dem vorliegenden Abzug sehr gut an den Stellen, wo in den schwarzen Flächen die Maserung des Holzes hellere Streifen hinterlassen hat, so dass die darunterliegenden Farben durchscheinen. Die räumliche Situation ist nicht leicht zu erfassen. Der Titel des Holzschnitts suggeriert zunächst, dass die beiden Frauen liegen. Dem widerspricht jedoch die Haltung der rechten in ockergelber Bluse und grünem Rock. Dann fallen die schrägen schwarzen Linien im roten Hintergrund auf, die ein Bett oder eine Couch andeuten. Darauf liegt die anscheinend ältere im blauen Kleid mit gelbem Schal. Das Kleid und auch die Beine scheinen über den Rand der Couch herabzuhängen. Die jüngere Frau sitzt neben der Liege in einem Lehnstuhl, den linken Unterarm auf dessen Seitenlehne gelegt. Den rechten Arm hat sie auf der Liege unter ihre Partnerin geschoben und den Kopf zur Seite auf die Schulter gelegt, so dass die beiden Frauen in eine innige Beziehung zueinander treten, was auch durch den Ausdruck ihrer Gesichter bestätigt wird. Aber Heckel hat diese räumlichen Zusammenhänge durch die rote Hintergrundfläche, die auf gegenständliche Deutungen keine Rücksicht nimmt, bewusst verschleiert. Dem in sich stimmigen Bildgefüge bleibt damit eine latente Spannung erhalten, die zum besonderen Reiz des Blattes beiträgt. Der wird allerdings auch dadurch bestimmt, dass es sich um einen Handabzug und nicht um einen Pressendruck handelt, bei dem die gesamte Fläche mit gleichmäßigem Druck auf das Papier übertragen wird. Druckunterschiede entstehen dabei nur bei einer größeren Auflage durch Abnutzung des Holzstocks. Der Handabzug ist demgegenüber von verschiedenen Zufällen abhängig, wodurch die Flächen nicht gleichmäßig abgezogen werden, sondern in ihrer Intensität variieren, ja sogar aufreißen können. So entstehen Blätter, die sich von Abzug zu Abzug unterscheiden. Sie bewahren stärker als Pressendrucke die Handschrift des Künstlers in sich und stehen damit den Unikaten näher. Andreas Hüneke Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 19.26 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 374

Max Beckmann - - 1884 Leipzig - 1950 New York Die großen Kellner. 1944. Tuschfederzeichnung über Bleistift. Rechts unten signiert. Verso datiert '26. April 1944' und betitelt bzw. vom Künstler bezeichnet '= Die großen Kellner'. Der Titel von Mathilde 'Quappi' Beckmann mit 'Kellner' vervollständigt. Verso von ihr zusätzlich bezeichnet 'A'dam'. Auf chamoisfarbenem Bütten (mit dem angeschnittenen Wasserzeichen 'PH Antique'). 36,6 x 22,8 cm (14,4 x 8,9 in), blattgroß. [CH]. • Seit über 40 Jahren Teil derselben Privatsammlung. • Ausgezeichnete Provenienz: ehemals Buchholz Gallery/Curt Valentin, New York. • Besonders ausgearbeitete Komposition aus Beckmanns Zeit im Exil in Amsterdam. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Zeichnungen von Stephan von Wiese und Hedda Finke aufgenommen. Wir danken für die freundliche wissenschaftliche Beratung. PROVENIENZ: Buchholz Gallery / Curt Valentin, New York. Kornfeld und Klipstein / Galerie Kornfeld, Bern (in Kommission). Worthington Gallery, Chicago (vom Vorgenannten erworben). Privatsammlung (1979 vom Vorgenannten erworben). LITERATUR: Kornfeld und Klipstein / Galerie Kornfeld, Bern, 169. Auktion, Moderne Kunst des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, 20.6.1979, Los 84 (mit ganzseitiger Abb., Tafel 50). Einen Tag nach der Eröffnung der Ausstellung 'Entartete Kunst' am 19. Juli 1937 in München wählt Max Beckmann das Exil und siedelt mit seiner Frau Mathilde (Quappi) von Berlin nach Amsterdam. Am 10. Mai 1940 überfallen deutsche Truppen Holland, Belgien und Luxemburg ohne Kriegserklärung. Die Lebensbedingungen in Holland verschlechtern sich zusehends, 'im Winter 1944/45 wurden die Lebensbedingungen in Holland sehr schwierig. Keine Straßenbahn fuhr mehr, man sah kaum noch Fahrräder, weil die meisten von den deutschen Streitkräften konfisziert worden waren. Außer den Wagen der deutschen Besatzungsmacht gab es keine Autos. Die Straßen waren leer und still. Es gab so gut wie keine Nahrungsmittel, kaum Heizmaterial, keinen Strom und auch keine Kerzen', beschreibt Mathilde Beckmann die bedrückende Situation (zit. nach: Mein Leben mit Beckmann, München 1985, S. 35). Bis dahin kümmert sich Beckmann nicht um die Verbote, malt mit elektrischem Licht ohne Verdunkelung weiter. Und spätestens seit den 1920er Jahren geht er gerne in die Cafés und Bars, oft alleine, um in Ruhe Menschen beobachten zu können, so in Berlin, so in Frankfurt und so in Amsterdam. Beckmann bevorzugt Bars und Cafés, die zu mondänen Grandhotels gehören, wie das unweit von Beckmanns Atelier liegende 'Krasnapolsky Hotel' mit Wintergarten, oder es sind kleinere Kneipen, oft mit Musik- oder Kabarettdarbietungen. Seine Lieblingslokale in Amsterdam befinden sich fast alle in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung oder in der Umgebung des Leidseplein. Seine Stammkneipe 'Kaperschip' liegt schräg gegenüber von seinem Haus am Rokin; da es sich im Souterrain befindet, besucht Beckmann die Kneipe auch während des Fliegeralarms und gönnt sich nach getaner Arbeit im Atelier Sekt und andere Getränke. Auch besucht er Musik- und Varietévorstellungen, etwa in der 'Charlotte Chérie'-Bar, einer weiteren 'Stammkneipe' des Künstlers. In welcher Bar Beckmann nun diese Szene wahrnimmt, lässt sich nicht mit letzter Bestimmtheit sagen, auch nicht, ob er diese Begegnung mit den drei Kellnern nicht erst später aus dem Gedächtnis nachempfindet. Im März 1943 werden einige der von Beckmann bevorzugten Lokale geschlossen. Die Kellner allerdings tragen einen Frack, Weste und Fliege und wirken sehr vornehm. Kellner tragen zu dieser Zeit auch in weniger vornehmen Kneipen und Cafés Frack, denn er gehört gleichsam zur auszeichnenden Berufskleidung. Ein Gast betritt die Lokalität und wird von einem Kellner empfangen, während die beiden anderen dahinter ins Gespräch vertieft sind. Beckmann zeichnet sich als rauchender Chronist rechts in die Szene, ist aber nicht unmittelbar eingebunden in das Geschehen. Die Episode ist dem Künstler scheinbar wichtig; dies äußert sich im Titel, in dem das Wort 'groß' vorkommt, so in Titeln wie 'Großes Cafe', 'Große Bar', 'Großes Cabaret' und so hier 'Die großen Kellner'. [MvL] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 19.30 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird differenzbesteuert, zuzüglich einer Einfuhrumsatzabgabe in Höhe von 7 % (Ersparnis von etwa 5 % im Vergleich zur Regelbesteuerung) oder regelbesteuert angeboten (N).

Lot 375

Paul Klee - - 1879 Münchenbuchsee (Schweiz) - 1940 Muralto/Locarno Grundverhexte Landschaft. 1924. Federzeichnung und Aquarell. Klee 3521. Rechts unten signiert und betitelt sowie unten mittig unterhalb der Darstellung datiert und mit der Werknummer '149' bezeichnet. Auf Bütten von Ingres, original auf Karton montiert, auf Malpappe. 28,5 x 32,5 cm (11,2 x 12,7 in), Blattgröße. Unterlagekarton: 32,5 x 47,9 cm (12,8 x 18,9 in). [CH]. • Seit Entstehung Teil der bedeutenden Sammlung Ilse und Hermann Bode. • Motivisch singuläres Werk mit der für Klee so charakteristischen Bildsprache und klaren Formulierung. • Surreale Komposition aus seiner wichtigen, erfindungsreichen Bauhaus-Zeit. • Bereits 1931 erstmals ausgestellt (Kestner Gesellschaft). • Paul Klee überrascht mit erstaunlichen Bildideen, beseelt von wundervollen Fantasien. PROVENIENZ: Sammlung Ilse und Hermann Bode, Hannover/Steinhude (direkt vom Künstler erworben. In seinem Œuvrekatalog vermerkt Klee: 'Dr Bode Zahnarzt in Hannover 300 GM'). Privatsammlung Deutschland (durch Erbfolge). AUSSTELLUNG: Paul Klee. Gemälde, Aquarelle, Graphik 1903-1930, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 7.3.-5.4.1931. Paul Klee, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 20.5.-22.6.1952, Kat.-Nr. 84. Zeitgenössische Kunst aus hannoverschem Privatbesitz, Kestner-Gesellschaft, Hannover, 1954, Kat.-Nr. 80 (auf Malpappe verso mit Ausstellungsetikett). Die Pelikan-Kunstsammlung, Kunstverein Hannover, 28.4.-16.6.1963. Die Pelikan-Kunstsammlung, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 8.1.-7.2.1965, Kat.-Nr. 69 (ohne Abb.). Paul Klee. Das Werk der Jahre 1919-1933 (Gemälde, Handzeichnungen, Druckgraphik), Kunsthalle Köln, 11.4.-4.6.1979, Kat.-Nr. 137 (mit Abb.). Paul Klee. Sonderklasse, unverkäuflich, Zentrum Paul Klee, Bern, 21.10.2014-1.2.2015, Museum der bildenden Künste, Leipzig, 1.3.-25.5.2015, S. 594. revonnaH. Kunst der Avantgarde in Hannover 1912-1933, Sprengel Museum Hannover, 23.9.2017-7.1.2018, S. 21 (mit Abb.). Sprengel Museum, Hannover (als Leihgabe bis Frühjahr 2021, auf der Malpappe verso mit dem teils handschriftlich, teils typografisch bezeichneten Etikett). LITERATUR: Bernd Rau, Kunstmuseum Hannover und Sammlung Sprengel, Bestandskatalog Paul Klee. Gemälde, farbige Blätter, Zeichnungen, druckgraphische Werke, Hannover 1980, Kat.-Nr. A5 (mit Abb.). 'Was dann aus diesem Treiben erwächst, möge es heißen, wie es mag, Traum, Idee, Phantasie ist erst ganz ernst zu nehmen, wenn es sich mit den passenden bildnerischen Mitteln restlos zur Gestaltung verbindet.' Paul Klee 1924 in einem Vortrag in Jena. 'Was dann aus diesem Treiben erwächst, möge es heißen, wie es mag, Traum, Idee, Phantasie ist erst ganz ernst zu nehmen, wenn es sich mit den passenden bildnerischen Mitteln restlos zur Gestaltung verbindet.' Paul Klee, Über die moderne Kunst, Bern 1945, S. 53. Paul Klees Bildideen zu entschlüsseln ist ein zumeist spekulatives Unterfangen. Vielmehr gilt es, sich seinen wundervollen Fantasien hinzugeben und sie auf sich wirken zu lassen. 'Grundverhexte Landschaft' ist so ein Blatt, das sich zwar beschreiben lässt, Zusammenhänge und Vermutungen sich jedoch nicht unbedingt schlüssig darlegen lassen. Oder vielleicht doch? 1924, das Jahr der Entstehung, dürfte einige Aufregung im Leben des Bauhauslehrers parat gehabt haben: Am 7. Januar eröffnet Katherine Dreier, Malerin und Kunstsammlerin, für Klee die erste Einzelausstellung in der New Yorker Kunstvereinigung 'Société Anonyme'. Etwas zeitversetzt hält Klee am 26. Januar den erst 1945 publizierten Vortrag 'Über die moderne Kunst' im Kunstverein in Jena anlässlich einer Ausstellung seiner jüngsten Arbeiten. Ende März gründen Klee, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky und Alexej von Jawlensky die Künstlergruppe 'Die Blauen Vier'. Begleitet wird das vor allem für den amerikanischen Markt gedachte Projekt von der Malerin Emmy (Galka) Scheyer, die seit 1919 für Jawlensky händlerisch tätig ist. Und im Dezember geben Walter Gropius und die Meister am Bauhaus wegen massiven Budgetkürzungen die Auflösung des Staatlichen Bauhauses in Weimar bekannt. Für Klee wohl ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Betrachten wir die surreal wirkende 'Grundverhexte Landschaft' eingehender, so ist für die Analyse ein Blick in den 1924 von Klee in Jena gehaltenen Vortrag aufschlussreich. In diesem überschreibt der Künstler einen Abschnitt mit 'Vom Vorbildlichen zum Urbildlichen!' und führt dann aus: 'Anmaßend wird der Künstler, der dabei bald irgendwo stecken bleibt. Berufen aber sind die Künstler, die heute bis in einige Nähe jenes geheimen Grundes dringen, wo das Urgesetz die Entwicklungen speist. Da, wo das Zentralorgan aller zeitlich-räumlichen Bewegtheit, heiße es nun Hirn oder Herz der Schöpfung, alle Funktionen veranlaßt, wer möchte da als Künstler nicht wohnen? Im Schoße der Natur, im Urgrund der Schöpfung, wo der geheime Schlüssel zu allem verwahrt liegt? Aber nicht alle sollen dahin! Jeder soll sich da bewegen, wohin ihn der Schlag seines Herzens verweist. So hatten zu ihrer Zeit unsere gestrigen Antipoden, die Impressionisten völlig recht, bei den Wurzelschößlingen, beim Bodengestrüpp der täglichen Erscheinungen zu wohnen. Unser pochendes Herz aber treibt uns hinab, tief hinunter zum Urgrund. Was dann aus diesem Treiben erwächst, möge es heißen, wie es mag, Traum, Idee, Phantasie ist erst ganz ernst zu nehmen, wenn es sich mit den passenden bildnerischen Mitteln restlos zur Gestaltung verbindet. Dann werden jene Kuriosa zu Realitäten, zu Realitäten der Kunst, welche das Leben etwas weiter machen, als es durchschnittlich scheint. Weil sie nicht nur Gesehenes mehr oder weniger temperamentvoll wiedergeben, sondern geheim Erschautes sichtbar machen.' (Paul Klee, Über die moderne Kunst, Bern 1945, S. 47). Natürlich sind Klees Bemerkungen über die moderne Kunst auch von seiner schier endlosen Poesie getragen. Sie mag in gewisser Weise seine Lehre am Bauhaus spiegeln, die er für seine Schüler entwickelt und für sie auch immer wieder von neuem belebt. Und doch darf man zur Dechiffrierung der 'Grundverhexten Landschaft' diese kurze Passage fast wörtlich zugrunde legen, um dieser 'fantastischen' Landschaft die Sinnfälligkeit zu entlocken. Entschlüsselt ist sie damit nicht, auch wenn Assoziationen reichlich hervortreten, je intensiver wir das im Raum schwebende Gebilde betrachten. Aus einer Ur-Blase irgendwo im gigantischen Kosmos schwimmend, gefüllt mit lebengebendem Plasma, so könnte man beginnen, erwächst eine Entwicklungslinie, an der entlang Mikroben die Photosynthese entwickeln, um damit das Wachsen der Urahnen von Pflanzen und Tieren zu ermöglichen. Am Ende überführt Klee die mit erotischen Bezügen angereicherte Linie, versehen mit stabilisierenden Gebilden, in eine zielgenaue Richtung: Das Ziel noch im Nichts wäre der Evolutionstheorie zufolge die Geburt der Primaten. Zeichnet Klee also den Beginn einer verkürzten Evolutionslinie für die Entwicklung der Erde? Vielleicht. 'Es wird niemand einfallen, vom Baum zu verlangen, daß er die Krone genauso bilde, wie die Wurzel', so Klee noch einmal in seinem Vortrag. 'Jeder wird verstehen, daß kein exaktes Spiegelverhältnis zwischen unten und oben sein kann. Es ist klar, daß die verschiedenen Funktionen in verschiedenen Elementarbereichen lebhafte Abweichungen zeitigen müssen.' (ebd., S. 13). 'Grundverhexte Landschaft' ist ein erstaunliches Gebilde, das irgendwo in den weiten Galaxien schwebt und uns mit Paul Klees neugierig machender Findung eine traumhafte Begegnung beschert. [MvL] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 19.32 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 38

Deutschrömer - - Bildnis einer Römerin. Um 1860/70. Öl auf Leinwand. Verso auf dem Keilrahmen nummeriert sowie mit Etikett, dort nummeriert und bezeichnet 'Feuerbach'. 47 x 35,5 cm (18,5 x 13,9 in). PROVENIENZ: Galerie Fritz Zickel, Berlin (bis 1930, Kunsthaus Lempertz, 25.11.1930, dort als Anselm Feuerbach angeboten, mit Echtheitsbestätigung von Hermann Uhde-Bernays). Sammlung Theodor Johannsen, Wedel (wohl 1930 vom Vorgenannten erworben). Seither in Familienbesitz. LITERATUR: Kunsthaus Lempertz, Köln, Galerie Fritz Zickel, Berlin: wegen völliger Aufgabe des Geschäfts und Löschung der Firma Fritz Zickel im Handelsregister, Versteigerung 25.11.1930, Los 16 (mit Abb., angeboten als Anselm Feuerbach: Mädchenkopf im scharfen Profil nach links, Römerin mit Korallen-Halskette; mit Echtheitsbestätigung von Hermann Uhde-Bernays). Als im frühen 19. Jahrhundert zahlreiche Maler in die zum Sehnsuchtsort und Zentrum der Kunst gewordene Stadt Rom aufbrechen, entwickelt sich neben der Verehrung der Schöpfungen von Antike und Renaissance auch ein regelrechter Kult um die Schönheit der Römerinnen. In der Vorstellung der Künstler bereits als Idealtypus vorhanden, waren diese stets auf der Suche nach dessen realer Entsprechung. Der Modellkult beginnt um 1820 mit der „Entdeckung“ Vittoria Caldonis durch August Kestner, der die Winzerstochter bei einem Ausritt durch Albano im Türeingang ihres einfachen Hauses sitzen sieht. Schnell avanciert das einfache Mädchen zum begehrten Modell, das durch seine unverstellte Natürlichkeit und seine Schönheit zahlreichen Malern als perfekte Projektionsfläche dient - mal als Bauernmädchen, als feine Dame, als Modellgesicht für Madonnengestalten -, ohne dass ihre Individualität jemals zum Vorschein gebracht wird. Anders als die zahlreichen Berufsmodelle, die oftmals wie beispielsweise an der französischen Akademie theatralische und gekünstelte Posen einnehmen oder zwischen Piazza Barberini und Piazza di Spagna in folkloristischer Tracht bereitstehen, sind solche eigenen Entdeckungen für die Künstler viel interessanter, da sie Zeugnis ästhetischer Urteilskraft sind. Oftmals gehen diese auch mit einer Ausschließlichkeit einher, die nicht selten in einer Liebesbeziehung endet, wie es zwischen Anselm Feuerbach und Anna Risi, genannt Nanna, der Fall ist. Auch Feuerbach verbreitet die Erzählung „seiner“ Entdeckung der verheirateten Nanna, Schustersfrau in Trastevere, die er bei einem Spaziergang entdeckt und die für ihn schließlich Mann und Kind verlässt. Feuerbach überschüttet sie mit Geschenken und präsentiert sie stolz in der Stadt. Nanna wird in den 1860er Jahren mit ihrer melancholischen Schwere und ihrer herben, ehrfurchtsgebietenden Hoheit zu seiner wesentlichen Inspirationsquelle für Bildnisse und mythologische Szenen. Auf Nanna, die ihn schließlich wegen eines reichen Engländers 1865 verlässt, folgt um 1867 Lucia Brunacci, der Feuerbach auf der Piazza Barberini begegnet. Ihre Gesichtszüge, von denen Feuerbach ebenso Porträts und Studienköpfe anfertigt, sind jedoch in den folgenden Gemälden schwer von denen Nannas zu trennen. Nicht nur bei Feuerbach überlagert der Typus der Römerin oftmals die Individualität der Dargestellten. Auch hier bildet sich in den Zügen der Porträtierten die Vorstellung einer unnahbaren und ehrfurchtsgebietenden Schönheit ab, der eine gewisse überzeitliche Größe antiken und renaissancehaften Charakters innewohnt. Sicherlich veranlasste die Qualität des Bildnisses den Feuerbach-Kenner Hermann Uhde-Bernays zu einer Zuschreibung an Feuerbach, erwähnt doch auch Julius Allgeyer für 1868 einen lebensgroßen „Studienkopf im Profil nach links“ als eines der ersten Porträts Lucias. Ob es sich tatsächlich um Lucia Brunacci oder ein anderes Modell handelt, ist schwer eindeutig festzustellen, da kaum wirklich aussagekräftige Bildnisse auszumachen sind, in denen das Modell mehr ist als der Anlass zur Darstellung eines bestimmten aktuellen Typus, der auch hier zum Tragen kommt. Mit malerischer Zurückhaltung wird die herbe Physiognomie mit dem kräftigen schwarzen Haar im Profil vor olivfarbenem Hintergrund platziert. Als einziger Schmuck unterstreicht die zweireihige charakteristisch italienische Korallenkette farblich das frische, fein modellierte Inkarnat. Der weiße, antikisierende Leinenüberwurf über den Schultern lenkt in keinster Weise von ihrer edlen und schlichten, unnahbaren Schönheit ab und perfektioniert so den Eindruck der reservierten Eleganz des Bildnisses. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 17.49 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONDeutschrömer -Bildnis einer Römerin. Um 1860/70. Oil on canvas. Numbered and with a label on the reverse, there numbered and inscribed 'Feuerbach'. 47 x 35.5 cm (18.5 x 13.9 in). PROVENANCE: Galerie Fritz Zickel, Berlin (until 1930, Kunsthaus Lempertz, November 25, 1930, there offered as a work by Anselm Feuerbach, with a certificate of authneticity from Hermann Uhde-Bernays). Collection Theodor Johannsen, Wedel (presumably acquired from the above in 1930). Ever since family-owned. LITERATURE: Kunsthaus Lempertz, Cologne, Galerie Fritz Zickel, Berlin: due to the complete abandonment of the business and deletion of the Fritz Zickel company in the commercial register, auction on November 25, 1930, lot 16 (with illu., offered as Anselm Feuerbach: Mädchenkopf im scharfen Profil nach links, Römerin mit Korallen-Halskette; with a certificate of authneticity from Hermann Uhde-Bernays). Called up: June 17, 2021 - ca. 17.49 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 381

Hermann Nitsch - - 1938 Wien - lebt und arbeitet in Prinzendorf Bodenschüttbild (38. Malaktion 1996). 1996. Öl und Blut auf weiß grundierter Jute. 250 x 300 cm (98,4 x 118,1 in). • Nitschs berühmte 'Schüttbilder' haben meist die Farbe des Blutes: Rot! • Monumentales und energiegeladenes Zeugnis von Nitschs legendärer Aktionskunst. • Nitsch gilt als Hauptvertreter des Wiener Aktionismus, seine berühmten 'Schüttbilder' befinden sich in bedeutenden internationalen Sammlungen, u. a. dem Museum of Modern Art, New York, der Tate Liverpool und der Albertina in Wien. • 2019 widmete die Albertina in Wien Nitschs großformatiger Aktionskunst die Ausstellung 'Nitsch. Räume aus Farbe'. PROVENIENZ: Aus einer bedeutenden europäischen Sammlung (1997 direkt vom Künstler erworben). 'Rot ist die Farbe, die am intensivsten zur Registration reizt, weil sie die Farbe des Lebens und des Todes gleichzeitig ist.' Hermann Nitsch 'Meine Arbeit ist ganz stark von der griechischen Tragödie beeinflusst. Da geht es immer um den Tod, das Leiden und die Auferstehung. Für mich als einer, der reale Geschehnisse inszeniert, sind Tod und Auferstehung [..] sehr wichtig.' Hermann Nitsch, 2017, zit. nach: Jürgen Klatzer u. a., Hermann Nitsch 'Die Angepassten sind die Schlimmsten', kurier.at, aufgerufen 1.4.2021. Riesig, energiegeladen, farbgewaltig und mystisch ist Hermann Nitschs faszinierendes 'Bodenschüttbild'. Nitsch entwickelt aus dem Aktionismus des von ihm erfundenen 'Orgien Mysterien Theaters' seine eigene Variante des Informel: das Schüttbild. Dabei ist die Aktion des Schüttens ein künstlerischer Vorgang und das Ergebnis ein gesteuerter Zufall. Durch nachträgliche manuelle Eingriffe, das Bearbeiten der Farbe auf der am Boden liegenden Leinwand unter Einsatz des gesamten Körpers - wie unter anderem Nitschs Handabdruck rechts unten sowie das mit Füßen und Fingern zerfurchte Rot belegt - werden die teils pastosen und dichten Farbverläufe zudem noch durch die Energie des künstlerischen Schaffensprozesses aufgeladen. Die Leinwand protokolliert das künstlerische Ergebnis einer malerischen Aktion. Rot steht dabei für Blut - das eigentliche und alleinige Medium, das die orgiastisch-mystische Vision des Künstlers transportieren kann. In der vorliegenden Arbeit kombiniert Nitsch Tierblut mit darübergesetzter pastoser roter Farbe, die das Werk durch seine besondere haptische Präsenz und Dichte auszeichnet. Als Bildträger wird vorrangig Rupfen verwendet, der in seiner Unregelmäßigkeit und Grobheit etwas Archaisches hat und mit der roten Farbe (= Blut) korrespondiert. Der Niederschlag auf dem Rupfen bleibt als Dokumentation eines 'geheiligten' Vorgangs. So ist das Bild nur noch der indirekte Überbringer einer Botschaft, die bereits in der Aktion des Schaffensprozesses Ausdruck fand. 'Nitsch deutet das Leben als Passion, den Malprozess als verdichtetes Leben und damit als Inbegriff der Passion. Jedes Bild hat diese Botschaft. Alle Farbspritzer erinnern an Blutspuren. Alle Bilder sprechen von Verletzungen, von Verletzungen, die nicht auszulöschen sind. Hermann Nitsch führt uns seine Bilder vor Augen, als weise er Wundmale vor.' (Wieland Schmied, in: Hermann Nitsch. Die Architektur des Orgien Mysterien Theaters, Bd. II, München 1993, S. 15). [JS] Aufrufzeit: 18.06.2021 - ca. 19.44 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONHermann Nitsch -1938 Wien - lebt und arbeitet in Prinzendorf Bodenschüttbild (38. Malaktion 1996). 1996. Oil and blood on white-primed burlap. 250 x 300 cm (98.4 x 118.1 in). • Most of his 'Pour Pictures' have the color of the blood: Red! • Monumental and energetic document of Nitsch's legendary Action Art. • Nitsch is the main representative of 'Viennese Actionism', today his famous 'Pour Pictures' are in important international collections such as the Museum of Modern Art, New York, Tate Liverpool and the Albertina in Vienna. • In 2019 the Albertina in Vienna dedicated the show 'Nitsch. Räume aus Farbe' to Nitsch's monumental Action Art. PROVENANCE: From a renowned European collection (acquired from the artist in 1997). 'Red is the one colors that is most intensively noticed, as it is the color of life and death at the same time.' Hermann Nitsch 'My work is decisively influenced by Greek tragedy, where it's all about death, suffering and resurrection. For me as someone who orchestrates real events, death and resurrection are [..] very important.' Hermann Nitsch, 2017, quote from: Jürgen Klatzer et al, Hermann Nitsch 'Die Angepassten sind die Schlimmsten', kurier.at, read on April 1, 2021. Hermann Nitsch's fascinating 'Bodenschüttbild' (Floor Pour Picture) is huge, energetic, colorful and mystical. Nitsch developed his own variant of Informalism based on the actionism of the 'Orgies Mysteries Theater' he invented: the poured picture. The pouring action is an artistic process and the result is a controlled coincidence. Subsequent manual interventions, the processing of the color on the canvas lying on the floor using the entire body - such as Nitsch's handprint in bottom right and the red furrows executed with feet and fingers - the at times impasto and dense color gradients are also the result of the energetic process of artistic creation. The canvas documents the artistic result of a painterly action. Red stands for blood - the actual and sole medium able to convey the artist's orgiastic-mystical vision. In the present work Nitsch combines animal blood with pastose red paint above it, which leads to a distinguished special haptic presence and density. The preferred image carrier is made of burlap, which, for irregularity and coarseness has something archaic about it and corresponds to the red color (= blood). The downpour of paint on the burlap is a documentation of a 'sacred' process. So the picture is only the indirect bearer of a message already expressed in the action of the creative process itself. 'Nitsch interprets life as passion, the painting process as condensed life and thus as the epitome of passion. Every picture has this message. All splashes of paint are reminiscent of traces of blood. All pictures speak of injuries, of injuries that cannot be erased. Hermann Nitsch leads us the pictures in front of his eyes as if showed us his wounds. ' (Wieland Schmidt, in: Hermann Nitsch. Die Architektur des Orgien Mysterien Theaters, vol. II, Munich 1993, p. 15). [JS] Called up: June 18, 2021 - ca. 19.44 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 409

Joseph Beuys - - 1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Ohne Titel. 1968. Holz, Gitter, Fett. Verso signiert und datiert. Unikat. 30 x 21 x 6 cm (11,8 x 8,2 x 2,3 in). • Unikat. • 1971 wird Thomkins als Professor an die Kunstakademie Düsseldorf berufen, wo bis 1972 auch Josef Beuys lehrt. • Erstmals auf dem internationalen Kunstmarkt angeboten. PROVENIENZ: Sammlung André Thomkins (direkt von Beuys erhalten). Archiv Nachlass Thomkins. 'nie reime, da kann akademie rein' Palindrom von André Thomkins André Thomkins, aus dessen Nachlass dieses Objekt kommt, und Joseph Beuys kennen sich nicht zuletzt aus ihrer gemeinsamen Professorenzeit an der Düsseldorfer Kunstakademie. André Thomkins gehört mit Spoerri und Karl Gerstner zu den Schweizer Hauptvertretern der FLUXUS Bewegung. Neben seinen filigranen Zeichnungen umfasst sein künstlerisches Schaffen darüber hinaus Bild, Wort und Objekt. Als Freund von Daniel Spoerri ist er schon früh mit der FLUXUS Bewegung verbunden. Zwei Mal, 1972 und 1977, ist er Teilnehmer der Documenta. Und gerade durch seine immense Kombinationsvielfalt von Wort, Bild und Objekt findet sich eine Verbindung zu Joseph Beuys. Ebenso wie Beuys steht er für ein Neudenken des Kunstbegriffes und einen neuen Ansatz des Schaffens. Auch wenn er vielleicht nicht ganz so radikal unmittelbar politisch wirken wollte. Schon 1968, bei der Eröffnung von Daniel Spoerris Düsseldorfer 'Restaurant der Sieben Sinne' hängen an der Außenfassade die bekannten 'Palindrom-Schilder' von Thomkins, die durchaus auch gesellschaftskritisch zu werten sind. Ein Jahr bevor Joseph Beuys vom Kultusminister Johannes Rau 1972 aus dem Dienst entlassen wird kommt André Thomkins an die Düsseldorfer Kunstakademie. Er lehrt 1971 bis 1973 Malerei und Grafik. Zu dieser Zeit fertigt Joseph Beuys immer noch die berühmten 'Intuitions-Kisten', welche seit 1968 im Vice Versand von Wolfgang Feelisch erscheinen. Jede einzelne Kiste wird von ihm signiert. Auch unsere Kiste trägt verso den Stempel der Edition und ist von Joseph Beuys signiert und wie alle Intuitions-Kisten auf '1968' datiert. Diese Intuitions-Kisten sind trotz oder besser gesagt gerade wegen ihrer Auflage von geschätzt 12.000 Exemplaren eine Ikone des Beuys'schen Kunstverständnisses. Sie geben der Kraft des Geistes Raum zu gestalten. Die hier vorliegende 'Intuitions-Kiste' ist mit einer kleinen Komposition aus Holz, Wachs und einem Drahtgitter. Dahinter liegt ein kleines aus Strohhalmen gefertigtes Haus und ein weiteres Holzstück. Das feste Metallnetz trennt die vordere von der hinteren Bildebene: Trennung und Durchlässigkeit werden thematisiert und damit auch die Eingrenzung der Intuition. Genau lässt sich nichtmehr nachvollziehen, wie diese Intuitionskiste in den Besitz von André Thomkins kam. Doch Innerhalb der Künstlerschaft der FLUXUS Bewegung ist das Schenken und Tauschen, wie auch das gegenseitige Ergänzen, durchaus Bestandteil des künstlerischen Selbstverständnisses gewesen. [EH] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 12.15 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJoseph Beuys -1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Ohne Titel. 1968. Wood, grid, fat. Signed and dated on the reverse. Unique object. 30 x 21 x 6 cm (11.8 x 8.2 x 2.3 in). • Unique object. • In 1971 Thomkins was appointed professor at the Düsseldorf academy where Josef Beuys taught until 1972. • Offered on the international auction market for the first time. PROVENANCE: Collection André Thomkins (obtained directly from Beuys). Archive estate Thomkins. André Thomkins, whose estate this object used to belong to, and Joseph Beuys knew each other from, among others, their time as professors at the Düsseldorf Art Academy. André Thomkins, along with Spoerri and Karl Gerstner, is one of the main Swiss representatives of the FLUXUS movement. In addition to his filigree drawings, his artistic work also includes pictures, words and objects. As a friend of Daniel Spoerri, he was connected to the FLUXUS movement from an early point on. He participate in the documenta twice, in 1972 and 1977. And it is precisely through his immense variety of combinations of words, images and objects that he connected with Joseph Beuys. Like Beuys, he stands for a new concept of art and a new approach to creativity. Even if he did not aim at such a strong and direct political impact. As early as in 1968, when Daniel Spoerri's 'Restaurant der Sieben Sinne“ opened in Düsseldorf, Thomkins‘ famous “Palindrome Signs“ - clearly a socio-critical comment - adorned its facade. Thomkins was appointed a year before Joseph Beuys was dismissed by Johannes Rau, Minister of Education, in 1972. At this time the famous 'Intuitionskisten' (Intuition Boxes), published by Wolfgang Feelisch's Vice Versand since 1968, were still produced. Our box also bears the edition stamp on the reverse and is signed by Joseph Beuys and, like all Intuition Boxes, dated '1968'. The intuition boxes are an icon of Beuys’s conception of art despite, or rather because of their circulation of an estimated 12,000 copies. They allow the power of the mind to shape space. This one features a small composition made of wood and a wire mesh with a small house made of straw and another piece of wood behind it. The solid metal net separates the front from the rear image level: separation and permeability are addressed and thus also the containment of intuition. It is no longer possible to precisely identify how this Intuition Box came into the possession of André Thomkins. But within the artists of the FLUXUS movement, giving and exchanging, as well as complementing each other, was an integral part of the artistic self-image. [EH] Called up: June 19, 2021 - ca. 12.15 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 412

Joseph Beuys - - 1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Fotografie von Lothar Wolleh: Joseph Beuys im Moderna Museet, Stockholm (Schwarzer Rand). 1971. Schwarz-Weiß-Fotografie von Lothar Wolleh auf Fotoleinen. Unten mittig von Joseph Beuys signiert. Eines von ca. 4 Exemplaren. 112 x 104 cm (44 x 40,9 in), Blattgröße. Die Aufnahme entstand während des Ausstellungsaufbaus der ersten Beuys- Ausstellung im Ausland im Moderna Museet, Stockholm, Januar 1971. Die damals aufgenommenen Fotos finden noch in weiteren Veröffentlichungen Verwendung: so im Künstlerbuch 'Beuys. Eine Dokumentation von Lothar Wolleh', 1971, dem Unterwasserbuch-Projekt 1972 und in der '3 Tonnen Edition ' (Schellmann 74) 1973-85. Das Motiv ist in wesentlich kleinerem Format (40 x 39,5 cm) in der Veröffentlichung 'Düsseldorf art Scene' 1971 in einer Auflage von 150 Exemplaren erschienen. • 'Joseph Beuys. Aktioner teckningar och objekt. 1937–1970. Ur samling van der Grinten' ist die erste internationale Einzelausstellung von Joseph Beuys. • Seltener großformatiger Abzug auf Fotoleinen der Fotografie von Lothar Wolleh. PROVENIENZ: Privatsammlung Deutschland. AUSSTELLUNG: Kunstpalast Düsseldorf (Dauerleihgabe vom 19.6.2008–1.11.2020). Spot on, Museum Kunstpalast Düsseldorf, 14.6.–9.11.2008. Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, 26.3.–22.5.2021. Anlässlich des Aufbaus der Ausstellung „Joseph Beuys. Aktionen Zeichnungen und Objekte aus der Sammlung van der Grinten“ im Moderna Museet (vom 16. Januar bis zum 18. Februar 1971) in Stockholm begleitet der mit ihm befreundete Düsseldorfer Fotograf Lothar Wolleh Joseph Beuys und dokumentiert das Aufbaugeschehen fotografisch. 'Wolleh stellte diese „Stockholm-Fotos“ in seinem 1971 konzipierten Künstlerbuch 'Beuys. Eine Dokumentation von Lothar Wolleh' zusammen. Die Fotos führten auch zu einer gemeinsamen Initiative, der Publikation des sogenannten Unterwasserbuches, bestehend aus 51 auf PVC gedruckten Wolleh Fotos, ergänzt durch ein Multiple von Beuys. Das Projekt wurde aufgrund technischer Probleme nie abgeschlossen, auch wenn einige Exemplare des Buches existieren. Die Fotografien von Wolleh auf PVC erhielten jedoch ein „zweites Leben“ als 3 Tonnen Edition (1973) - unter Bezugnahme auf das Gesamtgewicht der für die Bindung als Unterwasserbuch bestimmten Blätter; auch da ein Teil von ihnen individuell von Beuys „überarbeitet“, signiert und gestempelt wurde. Unter demselben Titel Unterwasserbuch (1972), gestaltete Joseph Beuys auch ein zusammengesetztes Werk in geringer Auflage, bestehend aus Lothar Wolleh’s in PVC ausgeführtem Buch und einer Tauchertaschenlampe, die in ein Becken mit Wasser getaucht sind.' (Zitiert nach: https://www.lothar-wolleh.com/de/stories/joseph-beuys-in-den-archiven-lothar-wollehs/). Auf unserem ikonischen Foto steht Beuys zwischen den Bahnen von 'Elastischer Fuß“ aus dem Jahr 1969, im Vordergrund die Schlitten aus „The Pack (Das Rudel)“, ebenfalls von 1969. Beuys trägt während des Aufbaus einen Pelzmantel, der als sichtbares Zeichen einer Huldigung an den Norden und dessen Mythen zu verstehen ist. Der Mann im Pelz tritt als ein Schamane in den Raum, der rituell seine Werke (Instrumente) für eine Séance zu ordnen scheint. [Eugen Blume/EH] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 12.21 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJoseph Beuys -1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Fotografie von Lothar Wolleh: Joseph Beuys im Moderna Museet, Stockholm (Schwarzer Rand). 1971. Black and white photograph by Lothar Wolleh on photo canvas. Signed in bottom center by Joseph Beuys. From an edition of 4 copies. 112 x 104 cm (44 x 40.9 in), size of sheet. The photograph was made during the setup of Beuys' first international exhibition at the Moderna Museet in Stockholm in January 1971. Wolleh and Beuys later conceived the 'Unterwasserbuch' (Underwater Book 1971), for which select photographs made in Stockholm were presented in a tub filled with water. In 1971 the motif was relased in a smaller size (40 x 39.5 cm) in the publication 'Düsseldorf art Scene' in an edition of 150 copies. • 'Joseph Beuys. Teckningar och objekt. 1937-1970. Ur samlimg van der Grinten' was Joseph Beuys' first international solo show. • Rare proof on photo canvas of the photograph by Lothar Wolleh (1930 - 1979). PROVENANCE: Private collection Germany. EXHIBITION: Kunstpalast Düsseldorf (permanent loan from June 19, 2008 - November 1, 2020) Spot on, Museum Kunstpalast Düsseldorf, June 14 - November 9, 2008. Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, March 26 – May 22, 2021. On the occasion of the set-up of the exhibition 'Joseph Beuys. Teckningar och objekt. 1937-1970. Ur samlimg van der Grinten' at Moderna Museet in Stockholm (January 16 to February 18, 1971), Joseph Beuys was accompanied by his friend Lothar Wolleh who photo-documented the set-up. Wolleh presented these 'Stockholm photos' in his 1971 artist book 'Beuys. Eine Dokumentation von Lothar Wolleh' . The photos also led to a joint initiative, the publication of the so-called underwater book, consisting of 51 Wolleh photos printed on PVC and a Beuys multiple. The project was never completed due to technical problems, even if a few copies of the book exist, but Wolleh's photographs on PVC were given a “second life” as “3 Tonnen Edition“ (1973) - in reference to the total weight of the sheets intended for binding as an underwater book – especially since Beuys had some of them 'revised', signed and stamped. Under the same title “Unterwasserbuch“ (1972), Joseph Beuys also designed a composite work in a small edition, consisting of Lothar Wolleh's book made of PVC and a diving torch in a basin with water.' (Quote from: https://www.lothar-wolleh.com/de/stories/joseph-beuys-in-den-archiven-lothar-wollehs/). In our iconic photo, Beuys stands between the tracks of 'Elastischer Fuß' from 1969, with the sledges from 'The Pack', also from 1969, in the foreground. During the set-up Beuys wore a fur coat, which has to be understood as a homage to the north and its myths. The man in fur enters the room as a shaman who seems to arrange his works (instruments) for a séance. [Eugen Blume / EH] Called up: June 19, 2021 - ca. 12.21 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 418

Joseph Beuys - - 1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Filzanzug. 1978. Filz. Vgl. Schellmann 26. Auf der Innentasche signiert. Eines von 60 Exemplaren. Ca. 170 x 60 cm (66,9 x 23,6 in). Das vorliegende Exemplar ist eines von 60 Exemplaren, die 1978 von der Fasnachtsclique 'Alti Richtig' zum Fasnachtsumzug getragen werden. Die Gruppe thematisiert damit das vom Basler Kunstmuseum angekaufte Environment 'Feuerstätte' von Beuys. Joseph Beuys stellte dafür einen Filzanzug aus der ursprünglichen Edition von 1970 zur Verfügung und beteiligt sich auch selbst am Fasnachtsumzug. Etliche der damals getragenen Anzüge verwendet Beuys für sein neues Werk 'Feuerstätte II', das er dem Basler Kunstmuseum schenkt. Den Vorschlag zur Themenwahl der Fasnachtsgruppe bringen damals die jungen Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron ein. [EH]. • Weitere Anzüge, die bei dem Umzug getragen wurden, sind heute Bestandteil des Werkes 'Feuerstätte II' von Joseph Beuys im Kunstmuseum Basel. • Filz isoliert Wärme und Schall, bietet Schutz und verhindert Kommunikation. • Der Filzanzug ist eine Erweiterung der Filzplastiken, die Joseph Beuys für seine Aktionen geschaffen hat. AUSSTELLUNG: Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, 26.3.-22.5.2021. 'Ich habe eigentlich eine ganz andere Wärme gemeint, nämlich geistige oder einen Evolutionsbeginn' Joseph Beuys, zit. nach: Jörg Schellmann, Joseph Beuys. Die Multiples, München 1992, S. 19. 'Der Filzanzug ist nicht nur ein Gag, sondern eine Erweiterung meiner Filzplastiken, die ich auch in Aktionen gemacht habe. Hier tritt der Filz ja auch als ein Wärmeelement oder Isolator auf, unter allen Kategorien von Wärmeplastik wird er da benutzt, meistens im Zusammenhang mit Fett. Und davon ist das ein Abzweiger. Also hat einen Bezug zum Wärmecharakter.' (Joseph Beuys, zit. nach: Jörg Schellmann, Joseph Beuys. Die Multiples, München 1992, S. 16) Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 12.31 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJoseph Beuys -1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Filzanzug. 1978. Felt. Cf. Schellmann 26. Signed on the inside pocket. From an edition of 60 copies. Ca. 170 x 60 cm (66.9 x 23.6 in). This copy is from an edition of 60 copies worm by the carnival group 'Alti Richtig' in a parade in 1978, addressing the acquisition of Beuys' environment 'Feuerstätte' by the Basler Kunstmuseum. For this action Joseph Beuys provided a felt suit from the original edition from 1970 and also took part in the parade. Beuys used many of the suits worn back then for his new work 'Feuerstätte II', which he donated to the Basler Kunstmuseum. The idea for the theme of the carnival parade came from the then young architects Jacques Herzog and Pierre de Meuron. [EH]. • Today other suits worn in the parade are part of the work 'Feuerstätte II' by Joseph Beuys at the Kunstmuseum Basel. • Felt isolates heat and sound, offers protection and prevents communication. • The felt suit is another felt sculpture that Joseph Beuys created for his actions. EXHIBITION: Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, March 26 – May 22, 2021. 'I actually meant a completely different kind of heat, I meant a spiritual one or a beginning of an evolution.' Joseph Beuys, quote from: Schellmann, Joseph Beuys: Die Multiples, Munich 1992, p. 19. 'The felt suit is not just a gag, but an extension of my felt sculptures, which I also made in actions. Here, the felt also acts as a warming element or insulator. In all categories of heat sculptures it is used for this purpose, mostly in connection with fat. So there is a connection with the warming character.' (Joseph Beuys, quote from: Jörg Schellmann, Joseph Beuys. Die Multiples, Munich 1992, p. 16) Called up: June 19, 2021 - ca. 12.31 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 425

Joseph Beuys - - 1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Proof zu Blatt 8 aus der Folge 'Zeichnungen zu Leonardo Codices Madrid'. 1974. Lithografie mit Bleistift. Rechts unten signiert und datiert sowie bezeichnet 'Litho und Bleistift', links unten bezeichnet 'proof'. Auf festem, glattem Velin. 25 x 32 cm (9,8 x 12,5 in), fast blattgroß. Probeabzug mit eigenhändigen Text-Ergänzungen des Künstlers in Bleistift zu Blatt 8 aus der Folge 'Zeichnungen zu Leonardo Codices Madrid'. Die Folge wurde herausgegeben von der manus presse, Stuttgart, 1975 (Schellmann 172). [EH]. • Proof zu einem Blatt aus der Mappe 'Zeichnungen zu Leonardo Codices Madrid'. • Joseph Beuys bewundert die Kunst, den wissenschaftlichen Ansatz und die Legende um die Person Leonardo da Vincis. • Zeichnen als Prozess und das Atelier als Laboratorium. PROVENIENZ: Privatsammlung Deutschland (direkt vom Künstler erworben). AUSSTELLUNG: Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, 26.3.–22.5.2021. Als 1965 in der spanischen Nationalbibliothek in Madrid von dem Romanisten Jules Piccus die später als Codices Madrid bekannt gewordenen zwei Bände mit Notizen und Zeichnungen von Leonardo da Vinci entdeckt werden, gilt das als Sensation. Zehn Jahre später schafft Beuys eine Serie von Zeichnungen, die sich auf diese Bücher Leonardos beziehen. Seine Zeichnungen werden als Granolithografien in einer limitierten Buchauflage veröffentlicht. Beuys’ Beschäftigung mit Leonardo beginnt in den 1950er Jahren, in denen er eine „Giocondologie“, eine Wissenschaft von der Gioconda, der Mona Lisa, erfindet. In Leonardo sieht Beuys einen Ansatz, der ihn für seine Erweiterungsideen interessiert: „Da liegt ein Modell vor in Leonardo.“ (J. Beuys, zit. nach: Joseph Beuys, Spuren in Italien, Kunstmuseum Luzern, 1979, o. S.). In dem vorliegenden Druck mit angedeuteten oder ausgeführten tierischen Schädelformen und den Ergänzungen – neben dem Schädel rechts unten die Wörter „exterminated“ und „fossil“ – ist Beuys‘ Interesse für naturwissenschaftliche Zusammenhänge deutlich wahrnehmbar. [Eugen Blume] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 12.43 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJoseph Beuys -1921 Krefeld - 1986 Düsseldorf Proof zu Blatt 8 aus der Folge 'Zeichnungen zu Leonardo Codices Madrid'. 1974. Lithograph with pencil. Signed and dated in lower right, as well as inscribed 'Litho und Bleistift', lower left inscribed 'proof'. On firm smooth wove paper. 25 x 32 cm (9.8 x 12.5 in), nearly the full sheet. Trial proof with autogr. text additions by the artist in pencil for sheet 8 from the series 'Zeichnungen zu Leonardo Codices Madrid '. The series was released by manus presse, Stuttgart, 1975 (Schellmann 172). [EH]. • Proof for a sheet from the portfolio 'Zeichnungen zu Leonardo 'Codices Madrid' '. • Joseph Beuys admires the art, the scientific approach and the legends around Leonardo da Vinci. • Drawing as a process and the studio as a laboratory. PROVENANCE: Private collection Germany (acquired directly from the artist). EXHIBITION: Joseph Beuys: Wo ist Element 3?, Ketterer Kunst, Berlin, March 26 – May 22, 2021. The discovery of two volumes of notes and drawings by Leonardo da Vinci, later known as Codices Madrid, by the romanist Jules Piccus in the Spanish National Library in Madrid in 1965 was a sensation. Ten years later, Beuys created a series of drawings that refer to these books by Leonardo. His drawings were published as granolithographs in a limited book edition. Beuys’ occupation with Leonardo began in the 1950s, when he invented a 'Giocondology', a science of the Gioconda, the Mona Lisa. Beuys sees an approach in Leonardo‘s work that he finds interesting in terms of his own ideas of expansion: “There is a certain model in Leonardo.” (J. Beuys, quote from: Joseph Beuys, Spuren in Italien, Kunstmuseum Luzern, 1979, no p.). With this print with the suggested or executed animal skulls and the additional inscription 'exterminated' and 'fossil', Beuys expresses his interest in science. [Eugen Blume] Called up: June 19, 2021 - ca. 12.43 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 442

Ernst Wilhelm Nay - - 1902 Berlin - 1968 Köln Paolo und Francesca. 1946. Gouache. Claesges 46-115. Links unten signiert und datiert. Auf Velin. 33 x 24,3 cm (12,9 x 9,5 in), blattgroß. [SM]. • Aus der 'Hekate'-Periode (1945-1948), in der Nay in häufig mythologischen Themen die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit reflektiert. • Das gleiche Motiv führt er 1947 in Öl aus. • Erstmals auf dem internationalen Auktionsmarkt angeboten. PROVENIENZ: Galerie Der Spiegel, Köln. Privatsammlung Nordrhein-Westfalen. Mit dieser höchst komplexen wie temperamentvoll angelegten Gouache nähert sich Ernst Wilhelm Nay dem berühmtesten Liebespaar des 14. Jahrhunderts in Italien: Francesca da Rimini und Paolo Malatesta. Die Geschichte ihrer tragischen Liebe ist historische Wirklichkeit und wird berühmt durch den großen italienischen Dichter Dante Alighieri (1265-1321), der das Paar in seiner „Divina Commedia“ (Göttliche Komödie) im Inferno V (Hölle, fünfter Gesang) verewigt. Die temperamentvolle Textur der einzelnen Farbformen, die Nay in heftigen Zügen auf das Papier setzt, spielt bei dieser Gouache eine wesentliche Rolle. Rhythmus und Duktus unterstützen die angestrebte dynamische Strukturierung der Bildfläche, eine ganz von der Farbe getragene Bildsprache, die zunächst noch der Figuration verpflichtet bleibt, sich aber weiter und weiter von ihr distanziert und in den 'Hekate'-Bildern kulminiert, die 1945-1948 im hessischen Hofheim entstehen. Wo ist das Figurenpaar im Bild auszumachen, das Nay mit an Picasso erinnernder, kubistisch geprägter Malerei der 1930er Jahre versteckt? Die Körper sind zerteilt, in anderer Form wieder zusammengesetzt, hier ein Augenpaar, dort eine Hand, ein verdrehter Körper, alles in eine für Nay typische Abstraktion überführt, in der die Farbe und die Form dominieren und nur dem Mythos der Geschichte huldigen. „Meine Bilder sind stark farbig und vielfarbig und sehr malerisch-frei gemalt. Ich bin gerade dabei, wieder einen Sprung vorwärts zu tun. Farbige Dynamik, Flächenrhythmus, Ornament, Relief, das waren bisher meine Mittel, um den Raum der Malerei zu gestalten. Dafür habe ich äußerst vorsichtig bisher davon abgesehen - wie auch dem Geiste meiner Kunst, die das magische, zauberische jetzt stärker betont als bisher, - Raumtiefen mit diesen Mitteln darzustellen. Das muß jetzt geschehen“, schreibt Nay an seinen Freund und Sammler Erich Meyer am 28.12.1945 (E. W. Nay 1902-1968. Bilder und Dokumente, München 1980, S. 90). Ein Jahr später widmet sich Nay nochmals dem geheimen Liebespaar Francesca und Paolo, das von dem eifersüchtigen Ehemann Gianciotto, Stadtvogt von Pesaro, entdeckt und erstochen wird, und malt zwei gleichgroße, aber in der Farb- und Formgebung doch unterschiedliche Gemälde: 'Paolo und Francesca' I und II, beide in der Sammlung Franz Burda. [MvL] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 13.13 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONErnst Wilhelm Nay -1902 Berlin - 1968 Köln Paolo und Francesca. 1946. Gouache. Claesges 46-115. Signed and dated in lower left. On wove paper. 33 x 24.3 cm (12.9 x 9.5 in), the full sheet. [SM]. • From the 'Hekate-Periode' (1945-1948), in which Nay addresses mythologic themes and events from recent history. • In 1947 he executed the same motif in oil. • For the first time on the international auction market. PROVENANCE: Galerie Der Spiegel, Cologne. Private collection Düren. Called up: June 19, 2021 - ca. 13.13 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 48

Vladimir Egorovitch Makovskij - - 1846 Moskau - 1920 St. Petersburg Russische Bäuerin bei der Arbeit. 1874. Öl auf Leinwand. Links unten signiert und datiert. 57 x 35 cm (22,4 x 13,7 in). • Erstmals nach ca. 100 Jahren in Privatbesitz auf dem Auktionsmarkt angebotenes Werk. • Bedeutsames Werk aus der frühen Phase des Künstlers, entstanden nach dem Beitritt zur sozial- und kunstreformerisch orientierten Gruppe der 'Peredwishniki'. • Eindringlich und technisch meisterhaft konzentriert sich der Künstler hier auf die Einzelfigur der arbeitenden Bäuerin. • Bereits zu Lebzeiten werden die Werke Makovskijs vom einflussreichsten Galeristen Russlands im 19. Jahrhundert, Pavel Michailovitch Tretjakov, gesammelt. • Werke von Makovskij befinden sich in prestigeträchtigen russischen Sammlungen wie der Staatl. Tretjakow-Galerie, Moskau, und dem Staatl. Russischen Museum Sankt Petersburg, das die bedeutendste Sammlung russischer Kunst beherbergt. Mit einem Gutachten von I. M. Sacharowa, Staatl. Tretjakow-Galerie, Moskau, im Original begutachtet im Rahmen der Ausstellung 'Russischer Realismus 1850-1900' in der Staatlichen Kunsthalle, Baden-Baden, am 5. Januar 1982 (in Kopie). Wir danken Frau Dr. Elena V. Nesterova für die freundliche Auskunft. Das Werk wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Künstlerfamilie Makovskij aufgenommen. PROVENIENZ: Privatsammlung Süddeutschland (seit ca. 100 Jahren in Familienbesitz). Vladimir Egorovitch Makovskij widmet sich hier der unsentimentalen Darstellung einer Frau aus dem russischen Volk. Vor ihrem einfachen Holzhaus sitzt die alte Bäuerin auf der hölzernen Bank und zupft Kräuter. Einfache Schlichtheit ist auch in ihrem Gewand zu erkennen, bestehend aus dem blauen Überkleid und der weißen Bluse sowie dem um den Kopf gewickelten roten Tuch, wie es vor allem die Frauen in der nördlichen Ukraine auf seinen Werken aus dem dortigen ländlichen Poltawa tragen. Trotz des reduzierten szenischen, erzählerischen Elements, da sich der Fokus ganz auf die konzentrierte Arbeit und die genaue Darstellung des Gesichts und der Hände der Frau richtet, ist das Werk als Ausdruck wichtiger Aspekte russischer Kunst- und Sozialgeschichte zu verstehen. Makovskij entstammt einer bedeutenden Künstlerfamilie Moskaus. Als Sohn des Malers und Kunstsammlers Jegor Ivanovitch Makovskij, einer der Gründer der Moskauer Kunstschule, wächst er in einem Haus auf, in dem u. a. bedeutende Schriftsteller und Denker wie Nikolai Gogol und Alexander Puschkin verkehren. Auch seine Brüder Konstantin und Nikolai sowie seine Schwester Alexandra sind als Künstler bzw. Künstlerin bekannt. Er beendet sein Studium 1869 an der Moskauer Akademie und schließt sich den 1870 gegründeten 'Peredwishniki' (russ. für „Wanderer“) an, einer der bedeutendsten sezessionistischen Gruppen im Russland des 19. Jahrhunderts. Die Gruppe positioniert sich gegen eine idealisierende, akademische, lediglich den höheren sozialen Klassen zugänglichen Malerei. Ihr demokratisches und sozialreformatorisches Verständnis von Kunst zeigt sich sowohl in den Motiven als auch in ihren Bemühungen, mit ihren Ausstellungen nicht nur in den künstlerischen Metropolen Moskau und St. Petersburg präsent zu sein. Auch das in der Peripherie lebende Volk soll die Möglichkeit zum Kunstgenuss geboten bekommen, so reist die Ausstellung in Städte wie Kiew, Odessa, Riga und Kasan. Geprägt von der Idee einer Kunst als bewusstseinsschaffendes, einendes Mittel, widmen sich die Maler der Gruppe in ungemein subtil beobachtendem Realismus vor allem den Menschen der unteren Schichten, ohne diese als Typen der Genremalerei zu sentimentalisieren. Soziale Unterschiede, klassenspezifische Gewohnheiten und kleine und große Ereignisse, die die Lebenswirklichkeit der einfachen Leute bestimmen, werden in oft faszinierend lebendiger und psychologisierender Weise eingefangen. Darin wird die Zustimmung der Maler zu den Reformen des Zaren Alexanders II. deutlich, der mit der Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 jene unterste Klasse zu eigenständigen und freien Individuen macht, für die so auch in der Kunst ein neuer Status gefunden wird. Zwischen 1870-1910 ist der Einfluss der Peredwishniki auch bei internationalen Ausstellungen am größten, gefördert werden sie von Pavel Michailovitch Tretjakov (1832-1898), der zahlreiche Werke für seine Galerie ankauft. 1923 verbindet sich die Gruppe mit der Assoziation der Künstler des revolutionären Russlands, deren naturalistischer Stil im Verlauf des 20. Jahrhundert die Basis für einen sozialistischen Realismus bildet. Zuletzt widmeten die Kunstsammlungen Chemnitz in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Tretjakow-Galerie, Moskau, dem Staatlichen Russischen Museum, St. Petersburg, und dem Nationalmuseum Stockholm dieser wichtigen Bewegung eine große monografische Ausstellung. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 18.02 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 482

Rainer Fetting - - 1949 Wilhelmshaven - lebt und arbeitet in Berlin und Luciano Castelli (geb. 1951 Luzern). Gemeinschaftsarbeit: Bordell I (Diptychon). 1982. Acryl auf Leinwand. Der linke Bildteil verso von Luciano Castelli signiert und datiert. Jeweils auf der umgeschlagenen Leinwand betitelt und auf dem Keilrahmen mit jeweils einem Richtungspfeil bezeichnet. Jeweils: 290 x 200 cm (114,1 x 78,7 in). Gesamtmaß: 290 x 400 cm (114,1 x 157,5 in). • Charakteristisches, leuchtend-farbkräftiges Werk von monumentalem Format. • Seit über 20 Jahren in rheinischem Privatbesitz. • Gemeinschaftsarbeit der Künstlerfreunde Luciano Castelli (linker Bildteil) und Rainer Fetting (rechter Bildteil) aus der gemeinsamen Werkreihe der 'Bordellbilder'. • 1982 Teil der umfassenden Werkschau der Gemeinschaftsarbeiten von Rainer Fetting, Luciano Castelli und Salomé im Musée d'Art Contemporain in Bordeaux. Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von den Künstlern bestätigt. Wir danken für die freundliche Auskunft. PROVENIENZ: Privatsammlung Rheinland (2000 erworben). AUSSTELLUNG: Salomé, Luciano Castelli, Rainer Fetting (1979-1982), Musée d'art Contemporain de Bordeaux (CAPC), Bordeaux, 31.1.-5.3.1983, S. 35 (mit ganzseitiger Farbabb.). LITERATUR: Salomé, Luciano Castelli und Rainer Fetting. Bild Erotismen, Kunstforum, Zwischenbilanz I: Gemeinschaftsbilder, Bd. 67, S. 70 ff. Matthias Liebel, Luciano Castelli: 30 Jahre Malerei. Das malerische Œuvre des Künstlers von seinen Anfängen bis Ende der 90er Jahre (Diss.), Bamberg 2004, S. 20, 160, 165 u. 186 ff. (mit Farbabb.). Rainer Fetting und Jan Hoet, Fetting, Köln 2009, S. 172. 'Castellis und meine Gemeinschaftsbilder umfassten auch gigantische Indianerbilder, und die Bordellbilder, in denen er die Frauen, ich die Männer malte.' Rainer Fetting über die 'Bordellbilder', zit. nach: Rainer Fetting und Jan Hoet, Fetting, Köln 2009, S. 172. 1977 gründen Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé und Bernd Zimmer in der damals isolierten, subkulturellen Berliner Kunstwelt die kollektiv betriebene 'Galerie am Moritzplatz'. Fortan machen sich die Berliner Künstler nicht nur als 'Neue' oder 'Junge Wilde', sondern insbesondere als 'Moritzboys' einen Namen. Wenig später stößt auch der schweizerische Künstler Luciano Castelli zu der Gruppe dazu. Das gemeinsame kreative Schaffen als Befreiung aus der zum Teil noch verfestigten Kunstauffassung, das Malen und Auftreten in Konzerten und Filmen entspricht der damaligen Haltung und dem Lebensgefühl der jungen Maler. Gemeinschaftsarbeiten wirken da wie eine logische, ganz natürliche Konsequenz. Im Œuvre Rainer Fettings und Luciano Castellis finden sie sich bereits ab den späten 1970er Jahren. Fetting schafft 1980 zusammen mit Helmut Middendorf und Bernd Zimmer einige gigantische Wandmalereien für den Musik-Club 'SO36' (Mitinhaber: Martin Kippenberger), während Castelli zusammen mit Salomé u. a. an großformatigen Diptychen wie 'Rote Liebe' oder 'Seiltänzer' (1979) arbeitet. Im selben Jahr gründen Castelli und Salomé außerdem die Punkband 'Geile Tiere', mit der sie später (mit Rainer Fetting am Schlagzeug) im Rahmen der Gemeinschaftsausstellung im Musée d'Art Contemporain in Bordeaux sogar in Frankreich einige Konzerte spielen. 1981 entsteht dann mit 'Room Full of Mirrors' eine erste, jedoch filmische Kooperation Luciano Castellis und Rainer Fettings, bevor sich die Künstler für die hier angebotenen Arbeiten der monumentalen Werkserie der 'Bordellbilder' 1982 auch malerisch zusammenfinden. Die großformatigen Arbeiten weisen deutliche Einflüsse der Künstlerkollegen Karl Horst Hödicke, Bernd Koberling oder Markus Lüpertz auf, die in den 1960er Jahren eine auf große Formate ausgerichtete, gegenständliche Malerei entwickeln. Hödicke vermittelt diese formalen Eigenschaften seiner Generation wie auch das Arbeiten mit breiten Pinseln an seine Schüler, die Moritzboys Salomé und Helmut Middendorf; aber auch Rainer Fettings und Luciano Castellis Kunstschaffen zeugt von dieser Vorliebe für große Formate, was sich bspw. 1977 an Fettings 'Mauerbildern' zeigt. In den hier angebotenen Arbeiten füllen die Künstler die monumentalen Leinwände mit breiten, expressiven Pinselstrichen. Jeweils als Diptychon konzipiert, bannen die Künstler in starken, unnatürlichen Farben zum Teil aus Pornoheften entnommene, erotische Szenen auf die Leinwand. Castelli malt die Frauenfiguren, Fetting die Männerakte. Während 'Bordell I' motivisch den reizvollen Moment des ersten Aufeinandertreffens der drei ausschließlich in Pumps und Strümpfen gekleideten, in selbstbewusst-aufreizenden Posen verharrenden Frauenfiguren und den ihnen gegenübergestellten potenziellen Kunden, drei männlichen Akten, thematisiert, wird der Betrachter des zweiten hier angebotenen Diptychons, 'Bordell III', zum Voyeur des eigentlichen Koitus. Die drei weiblichen und männlichen Akte haben sich hier zu drei Paaren zusammengefunden, die jeweils unterschiedliche sexuelle Handlungen ausführen. Die vorherige formale Ordnung von 'Bordell I', die fast brave, an die klassischen Darstellungen der 'Drei Grazien' erinnernde Aneinanderreihung der Akte wird hier nun über Bord geworfen: Stattdessen regiert das ungezügelte, wilde Lustspiel, das die Künstler hier durch dynamische, breite Pinselstriche in überbordenden Farben zum Ausdruck bringen. Rainer Fetting und Luciano Castelli gelten seit den 1980er Jahren als Protagonisten der gegenständlichen deutschen Malerei. In den vergangenen Jahren sind ihre Arbeiten u. a. 2015 in der viel beachteten Ausstellung 'Die 80er. Figurative Malerei in der BRD' im Städel Museum in Frankfurt am Main zu sehen. [CH] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 14.25 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONRainer Fetting -1949 Wilhelmshaven - lebt und arbeitet in Berlin und Luciano Castelli (geb. 1951 Luzern). Gemeinschaftsarbeit: Bordell I (Diptychon). 1982. Acrylic on canvas. Left part signed and dated by Luciano Castelli on verso. Each part titled on folded canvas and inscribed with a direction arrow on the stretcher. Each: 290 x 200 cm (114.1 x 78.7 in). Total dimensions: 290 x 400 cm (114,1 x 157,5 in). • Characteristic work in bright and strong colors and in a monumental format. • Privately-owned for more than 20 years. • Teamwork effort by the two artist friends Luciano Castelli (left part) and Rainer Fetting (right part) from their joint work series 'Bordellbilder' (Brothel Pictures). • In 1982 part of the comprehensive exhibition of works by Rainer Fetting, Luciano Castelli and Salomé at the Musée d'Art Contemporain in Bordeaux. This work's authenticity has kindly been confirmed by the artist. We are grateful for the kind support in cataloging this lot. PROVENANCE: Private collection Rhineland (acquired in 2000). EXHIBITION: Salomé, Luciano Castelli, Rainer Fetting (1979-1982), Musée d'art Contemporain de Bordeaux (CAPC), Bordeaux, January 31 - March 5, 1983, p. 35 (with full-page color illu.). LITERATURE: Salomé, Luciano Castelli und Rainer Fetting. Bild Erotismen, Kunstforum, Zwischenbilanz I: Gemeinschaftsbilder, vol. 67, pp. 70 ff. Matthias Liebel, Luciano Castelli: 30 Jahre Malerei. Das malerische Œuvre des Künstlers von seinen Anfängen bis Ende der 90er Jahre (doctor thesis), Bamberg 2004, pp. 20, 160, 165 and 186 ff. (with color illu.). 'Castelli's and my joint pictures also comprise gigantic pictures of Native Americans, and the brothel pictures, in which he paints the women and I the men.' Rainer Fetting about the 'Bordellbilder', quote from: Rainer Fetting and Jan Hoet, Fetting, Cologne 2009, p. 172. Called up: June 19, 2021 - ca. 14.25 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 5

Wilhelm Leibl - - 1844 Köln - 1900 Würzburg Bildnis Frau Auguste Mayr. 1891. Öl auf Holz. Waldmann 1914 197. Rechts oben signiert und datiert. Verso mit diversen Etiketten sowie handschriftlicher Widmung des Künstlers. 22,2 x 20,5 cm (8,7 x 8 in). Im Originalrahmen. • Lange Zeit als verschollen gegoltenes Meisterwerk Leibl'scher Porträtkunst. • Sehr persönliches Bildnis der Gattin des für Leibl wichtigsten Biografen und Freundes. • Das Bildnis ihres Gatten Julius Mayr befindet sich im Museum Georg Schäfer, Schweinfurt, Heim der bedeutendsten Privatsammlung deutscher Kunst des 19. Jahrhunderts. • Ausdrucksstarke und einfühlsame Darstellung in technisch variantenreicher, meisterhaft beobachtender und zugleich freier Malweise. • Ehemals Teil der einige der herausragendsten Porträts von Wilhelm Leibl umfassenden Sammlung Max Böhm, als deren Glanzstück dieses Werk 1931 beim Verkauf hervorgehoben wird. PROVENIENZ: Sammlung Dr. Julius und Auguste Mayr, Rosenheim/Brannenburg am Inn (1891 als Geschenk des Künstlers - spätestens 1912). Kunsthandlung Bernhard B. Heyde, Berlin (1914). Sammlung Max Böhm, Berlin (spätestens Juni 1930-28.1.1931, Rudolph Lepke, Berlin, 28.1.1931). Sammlung Theodor Johannsen, Wedel (1931 vom Vorgenannten erworben). Seither in Familienbesitz. AUSSTELLUNG: Große Berliner Kunstausstellung, 1.5.-29.9.1895, Kat.-Nr. 1003 (mit dem Etikett). 15. Ausstellung der Berliner Secession, Berlin, 1908, Kat.-Nr. 126. 27. Ausstellung der Berliner Secession, Berlin, Okt.-Dez. 1915, Kat.-Nr. 99 (mit Abb.). Sammlung Max Böhm, Preußische Akademie der Künste, Berlin, Juni-Juli 1930, Kat.-Nr. 17. LITERATUR: Dr. Julius Mayr, Wilhelm Leibl. Sein Leben und sein Schaffen, Berlin 1906, S. 116 (mit Abb. S. 121). Alfred Lichtwark, Briefe an die Kommission für die Verwaltung der Kunsthalle (Band 2), hrsg. von Gustav Pauli, Hamburg 1923, S. 475 (Brief vom 30.11.1912: Angebot wohl durch Heyde an die Kunsthalle Hamburg). Julius Mayr, W. Leibls Bildnisse des Herrn und der Frau Dr. Mayr, in: Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge, 24. Jahrgang 1913, S. 113-115 (mit Abb. S. 115). M. Eisenstadt, Vorbericht zur Auktion Sammlung Max Böhm, in: Kunst und Künstler, Jg. 29, Heft 4, 1. Jan. 1931, S. 176. Max Bøhms samling af det 19. aarhundredes førende tyske kunstnere, in: Samleren: kunsttidskrift, Nr. 4, April 1931, S. X. Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus Berlin, Sammlung Max Böhm. Mit Vorwort von Dr. Max Osborn, Versteigerung am 28. Januar 1931, Nr. 17. Neuere deutsche Gemälde. Ihre Bewertung auf der Versteigerung Böhm, Preisberichte, Auktion Rudolf Lepke Sammlung Max Böhm, in: Weltkunst, Jg. V, Nr. 5, 1. Feb. 1931, S. 2, 6. Ventes étrangères, Collection Max Böhm, in: Beaux-arts, 8ème année, 1. Feb. 1931, S. 9. Alfred Langer, Wilhelm Leibl, Leipzig 1961, S. 76. Götz Czymmek (Hrsg.), Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag, Heidelberg 1994, S. 398. Klaus-Joachim Klose, Dr. Julius Mayr, in: Walter Leicht (Hrsg.), Rosenheim wird Stadt - Die goldenen Jahre 1864-1914, Rosenheim 2014, S. 133. 'Hier und da male ich in 1-2 Tagen die Köpfe meiner wenigen Bekannten hier a la prima; das sind sicher die lebendigsten und besten Sachen, welche mir gelingen.' Wilhelm Leibl an Kayser, 3.11.1890. Lange Zeit galt das Porträt von Auguste Josefine Ludovika Mayr, geb. Hiedl (1855 Passau - 1932 Brannenburg), als verschollen. Dabei blickt es auf eine bewegte und prestigeträchtige Geschichte zurück und wurde schon kurze Zeit nach seiner Entstehung als eines der gelungensten Porträts von Wilhelm Leibl angesehen. Nach dem Studium in München und einer Reise nach Paris, wo er die Malerei Edouard Manets und Gustave Courbets studieren kann, kehrt Leibl nach München zurück. Ab ca. 1870 formiert sich der Leibl-Kreis mit Wilhelm Trübner, Carl Schuch, kurz auch Hans Thoma, die sich am Courbet’schen kraftvollen Pinselstrich und dessen Auflösung der Stofflichkeit hin zum Reinmalerischen orientieren. Wenige Jahre später zieht sich Leibl aufs Land zurück und malt ab Anfang der 1880er Jahre in Bad Aibling in Oberbayern. Dort beginnt die Freundschaft zwischen dem Ehepaar Mayr und den Malern Wilhelm Leibl, Johann Sperl und Max Liebermann. Auguste, Tochter eines Landrichters aus Passau, und Julius Friedrich Mayr (1855-1935) heiraten 1880 und bekommen zwei Töchter, Helene und Luise. Julius praktiziert 1887-1897 als Arzt in Rosenheim und ist dort sehr engagiert im Alpenverein. Daneben betätigt er sich als Schriftsteller von Erzählungen sowie Gedichten und gibt schließlich 1906 die erste umfassende Biografie zu Leibl heraus, die lange Zeit als Standardwerk zum Künstler gilt. Leibl malt kurz nacheinander die Porträts der beiden, dasjenige von Julius Mayr befindet sich heute im Museum Georg Schäfer, Schweinfurt. Mayr schreibt hierzu: „Die Aiblinger Zeit füllen ferner manch kleinere Studien und Porträts aus. Unter den letzteren befindet sich auch das Porträt des Verfassers, das in zwei Tagen vollendet wurde. Die scheinbar unverbundenen Pinselstriche wachsen je älter das Bild wird, umso mehr zusammen und machen allmählich Leibls Wort nach der Vollendung wahr: 'Gib acht, das Bild bekommt eine Patina'“ (zit. nach: Julius Mayr, Wilhelm Leibl. Sein Leben und sein Schaffen, Berlin 1906, S. 116). Die schnelle, kraftvolle Pinselschrift Leibls, die Stofflichkeit nicht nachmodelliert, sondern diese in der Farbe entstehen lässt, ist auch im Porträt von Auguste erkennbar, das sie als feine Dame mit Hut zeigt - eine spätere biografische Skizze ihres Mannes nach ihrem Tod trägt den Titel „eine bürgerliche Frau von Adel“. So ist Leibl beim Erscheinen von Auguste im Atelier in Bad Aibling hocherfreut über ihren eleganten und kleidsamen Aufzug in heller Bluse mit schwarzem Samtkragen, schwarzem federgeschmückten Hut und roter Korallenbrosche. Mayr ist hinsichtlich des Porträts seiner Frau davon überzeugt, „[..] dass Wilhelm Leibl in seinem Leben wohl vieles Größere, aber wenig Schöneres gemalt hat. Lebensfrisch und vornehm, die Farben unglaublich in einander vertönend, ohne sichtbaren Pinselstrich sieht es aus als wäre es lebendiges Fleisch und Blut, man weiß nicht wie es entstanden ist. Auf dasselbe paßt, was Ludwig Speidel über Leibl sagt: 'Er stellt gediegene, glatte Gußflächen von so feinem Korn hin, dass sie in ihrer dichten Geschlossenheit den letzten technischen Aufschluß verweigern' Das Bild wurde in zwei Tagen, am 7. und 8. Juli vollendet, der Künstler arbeitete mit seltener Hingebung und Freude, und als das Köpfchen fertig war, stand er wie immer, wenn ihm etwas gefiel, die eine Hand mit der anderen trauend, still lächelnd davor, und sprach sein bekanntes Wort: 'das ist das allerbeste, was ich je gemacht habe', vielleicht hatte es dieses Mal eine gewisse Berechtigung. Das Bildchen ist eine Perle Leiblscher Kunst“ (ebd., S. 116) - allerdings widmet Leibl das Bild eigenhändig auf der Rückseite am 7. und 8. Juni. Als das Porträt schließlich in die Sammlung von Max Böhm gelangt, ist dies für den Sammler sein ganzer Stolz: „Von Leibl konnte ich nur sechs hervorragende Werke erwerben, da solche fast vollkommen vom Bildermarkt verschwunden waren und es wohl kaum einem Privatsammler gelang, selbst diese Anzahl aufzubringen.“ Als seine hochkarätige Sammlung deutscher moderner Malerei schließlich 1931 versteigert wird, erzielen die drei Kopf-Porträts von Leibl die deutlich höchsten Preise, als Glanzstück der Sammlung wird sogar international das Porträt von Auguste Mayr hervorgehoben. Ihr Mann verstirbt nur drei Jahre nach ihrem Tod, beide sind auf dem Friedhof in Rosenheim begraben. Verewigt sind die beiden in den zwei Portraits, die, 'so klein sie sind, [..] die vollendete und konzentrierte Leibl-Kunst' repräsentieren (zit. nach Julius Mayr, W. Leibls Bildnisse des Herrn und der Frau Dr. Mayr, in: Zeitschrift für bildende Kunst, N.F., 24.Jg, 1913, S. 115, hier auch ausführliche Schilderung des Entstehungsprozesses). [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 17.05 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.

Lot 566

Jonas Burgert - - 1969 Berlin - lebt und arbeitet in Berlin Adlerkopf. 2005. Öl auf Leinwand. Verso signiert und datiert. 110 x 80 x 5 cm (43,3 x 31,4 x 1,9 in). • Jonas Burgert gilt als Meister der neuen Figuration und als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Deutschlands. • Das frühe Gemälde 'Adlerkopf' ist ein wunderbares Beispiel für Burgerts virtuosen Umgang mit historischen Bildzitaten. • 'Adlerkopf' zeigt Burgerts hoch überlegte Arbeitsweise, die jedes motivische Detail komplett durchkonzipiert und malerische Spontanität kategorisch ausschließt. • Bugerts Gemälde sind komplexe Bildrätsel, die häufig existentielle Fragestellungen thematisieren und damit gemalter Philosophie gleichen. • 'Adlerkopf' ist im Jahr von Burgerts künsterlischem Durchbruch im Kontext der Ausstellung 'Geschichtenerzähler' (2005) in der Hamburger Kunsthalle entstanden. • Heute befinden sich Bugerts Gemälde unter anderem in der Sammlung der Londoner Saatchi Gallery, in der Hamburger Kunsthalle oder der Sammlung Sander in Berlin. Wir danken dem Atelier Jonas Burgert, Berlin, für die freundliche Beratung. PROVENIENZ: Privatsammlung Hannover. Privatsammlung Süddeutschland (2011 vom Vorgenannten erworben). AUSSTELLUNG: Gift - Jonas Burgert, Ausst.-Kat. Düsseldorf 2008, S. 7 (mit Abb.). 'Wenn ich ins Atelier komme, sitze ich dort zwei Stunden herum, bevor ich überhaupt anfange zu arbeiten. Die ganzen normalen Wertigkeiten des Lebens muss man eigentlich weglassen und in die Empfindlichkeit gehen. Also man muss einen großen Aufwand betreiben, um wirklich empfindlich sein zu können.' Jonas Burgert, zit. nach: deutschlandfunkkultur.de, 18.4.2018. Seit der Ausstellung 'Geschichtenerzähler' in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle im Jahr 2005 gehört der Berliner Jonas Burgert zu den absoluten Shootingstars der internationalen Kunstszene. Einst als Nachfolger von Neo Rauch und Daniel Richter gehandelt, gilt er inzwischen längst als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Deutschlands. Burgert verwebt in seinen magischen Bildfindungen immer wieder Zitate aus der ägyptischen, antiken und mittelalterlichen Kunst mit Neuem, Rätselhaftem und Groteskem. International wird er spätestens seit seiner Entdeckung durch den erfolgreichen Mäzen und Kunsthändler Charles Saatchi als Meister einer neuen deutschen Figuration gefeiert. Seine Arbeiten werden auf internationalen Messen hoch gehandelt und befinden sich heute in bedeutenden internationalen Sammlungen, u. a. der Hamburger Kunsthalle, der Saatchi Collection, London, der Olbricht Collection, Essen/Berlin, und der Vicki und Kent Logan Collection, Denver. Burgerts virtuos gemalte Schöpfungen sind Rätsel, die von nahen und fremden Kulturen handeln, von Vertrautem und Unbekanntem, und häufig auch von Leben und Tod. 'Adlerkopf' ist im für Burgerts Karriere entscheidenden Jahr seines künstlerischen Durchbruchs entstanden. 2005 zehrt der Künster motivisch noch von seinem Ägypten-Aufenhalt, den er sich einige Jahre zuvor über ein Reisestipendium und den Nachwuchsförderpreis der UdK Berlin finanziert hat und der fortan wie alles Gesehene im enormen Bild- und Zitatgedächtnis des Malers konserviert ist. Schön zeigt sich in 'Adlerkopf' Burgerts hoch überlegte Arbeitsweise, die jegliche malerische Spontanität kategorisch ausschließt. Lange dauert es vor jedem seiner bis ins kleinste Detail motivisch durchdachten Gemälde, bis er schließlich zum Pinsel greift und diese fertige geistige Komposition in absoluter technischer Perfektion in Malerei überführt. Da verwundert es nicht, dass Burgert den Weg zur Malerei über den Umweg eines Philosophiestudiums gefunden hat, der aber im Rückblick alles andere als ein Umweg war, sondern die besondere Stärke seiner Arbeiten ausmacht, die gemalter Philosophie gleichen: 'Ich bin zu den Philosophen gegangen, habe mir das angeschaut, bin dann noch zu den Psychologen gegangen, weil ich das auch hochinteressant fand, und habe dann aber gemerkt, dass ich eigentlich ein ganz anderes Medium brauche. Ich ging dann immer nach Hause und dachte: Eigentlich müsste man das jetzt irgendwie malen können [..] Irgendwann habe ich aber gemerkt, das ist das Medium. Mir fehlt das Visuelle. Ich muss es sehen.' (zit. nach: deutschlandfunkkultur.de, 18.4.2018). Seine Bilder gleichen Rätseln, die entschlüsselt werden wollen, aber folgen anders als die Kunst des Mittelalters keiner festen Ikonografie. Was will uns also der Adler im Kokon mit Krummstab und Wedel, den Insignien pharaonischer Macht, sagen? Ein Gedanke zu den Autoritäten menschlichen Daseins? Eine visuelle Neuschöpfung, welche die Insignien der ägyptischen Könige mit dem Adlerkopf, dem Symbol der ägyptischen Götter, zu einem zwischen weltlicher und göttlicher Macht changierenden Zwitterwesen verschmilzt. Burgert gelingt in 'Adlerkopf' durch den virtuosen Umgang mit historischen Bildzitaten auf vollkommen neuartige Weise die Konfrontation des modernen Menschen mit den seit jeher existenziellen Fragen nach Urspung, Sinn und Grenzen der menschlichen Existenz. [JS] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 16.54 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJonas Burgert -1969 Berlin - lebt und arbeitet in Berlin Adlerkopf. 2005. Oil on canvas. 110 x 80 x 5 cm (43.3 x 31.4 x 1.9 in). • Burgert is considered one of the most important contemporary artists in Germany and an internationally sought-after representative of New German Figuration • The early painting 'Adlerkopf' is a great example of Burgert's virtuoso use of historical references • 'Adlerkopf' is a document of Burgert's work process in which every detail is detail is meticulously conceived and which fundmentally excludes any sort of artistic spontaneity. • Burgert's paintings are complex pictorial riddles that often address existential questions making them painted philosophy. • 'Adlerkopf' was made the year of Burgert's breakthroug in context of the exhibition 'Geschichtenerzähler' (2005) at the Hamburger Kunsthalle. • Today Burgert's paintings are in possession of, among others, the London Saatchi Gallery, the Kunsthalle Hamburg or the Collection Sander in Berlin. We are grateful to the Studio Jonas Burgert, Berlin, for the kind support in cataloging this lot. PROVENANCE: Private collection Hanover. Private collection Southern Germany (acquired from aforementioned in 2011). EXHIBITION: Gift - Jonas Burgert, ex. cat. Düsseldorf 2008, p. 7 (with illu.). Jonas Burgert, quote from: deutschlandfunkkultur.de, April 18, 2018 Called up: June 19, 2021 - ca. 16.54 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 587

Thomas Demand - - 1964 München - lebt und arbeitet in Berlin und London Falzmaschine. 1993. Farbfotografie. C-Print, im Diasec-Verfahren hinter Plexiglas montiert. Verso signiert, datiert und betitelt. Aus einer Auflage von nur 5 Exemplaren. 111 x 141 cm (43,7 x 55,5 in). [CH]. • Seit fast 20 Jahren in süddeutschem Privatbesitz. • Weitere Werke des Künstlers aus den 1990er Jahren befinden sich u. a. in den Sammlungen des Museum of Modern Art, New York, der Tate Gallery, London, und des Solomon R. Guggenheim Museum, New York. • Obwohl seine fotografischen Arbeiten reale Objekte abzubilden scheinen, zeigen sie in Wahrheit Szenen, die von Demand zuvor in mühevollster Kleinarbeit mit Papier und Karton konstruiert wurden. • In seinen Fotografien aus diesen Jahren dominieren charakteristischerweise Grau- und Weißtöne, die nur hier und da durch rote Akzente aufgebrochen werden. PROVENIENZ: Von Lintel Gallery, New York (verso mit dem Galerieetikett). Privatsammlung Süddeutschland (2003 vom Vorgenannten erworben). Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 17.30 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONThomas Demand -1964 München - lebt und arbeitet in Berlin und London Falzmaschine. 1993. Color photograph. C-Print, mounted behind plexiglass in diasec. Verso signiert, datiert und betiteltSigned, dated and titled on the reverse. From an edition of only 5 copies. 111 x 141 cm (43.7 x 55.5 in). [CH]. • In private German ownership for almost 20 years. • Other works by the artist from the 1990s are at, among others, the Museum of Modern Art, New York, the Tate Gallery, London and the Solomon R. Guggenheim Museum, New York. • Although his photographic works seem to depict real objects, they actually show scenes that Demand had previously constructed with painstaking detail using paper and cardboard. • In his photographs from these years, gray and white tones dominate, in this work they are broken up by red accentuations. PROVENANCE: Von Lintel Gallery, New York (with a gallery label on the reverse). Private collection Southern Gemany (acquired from the above in 2003). Called up: June 19, 2021 - ca. 17.30 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 594

Hans-Peter Feldmann - - 1941 Düsseldorf - lebt und arbeitet in Düsseldorf Zwei Mädchen mit Schatten. 1999. Fotografie. Silbergelatineabzug mit Scherenschnitt, in Plexiglaskasten. Ca. 92 x 59 cm (36,2 x 23,2 in). • Die Umdeutung des Bildinhaltes durch minimalen Eingriff in das Sujet ist ein präferiertes Vorgehen Hans-Peter Feldmanns. • 2015 erwirbt die Städtische Galerie im Lenbachhaus die umfangreiche Installation 'Laden 1975-2015'. • Hans-Peter Feldmann arbeitet als konzeptioneller Fotokünstler auch mit vorgefundenen Fotos. • Er ist mit Arbeiten auf der documenta 5 und 6 sowie 2003 auf der Biennale in Venedig vertreten. „In Ihrem Kopf entstehen beim Anschauen eines Fotos immer Ihre eigenen Erinnerungen“ (https://www.kunstforum.de/artikel/hans-peter-feldmann-2/) ''Ich war ja zwei Jahre auf der Kunstschule, damals in Linz. Da habe ich aber nur gelernt, dass ich das Malen und Zeichnen nicht lernen werde.' Seither ist Feldmann ein Nicht-Künstler mit einem Nicht-Atelier, und lange schien auch an seinem Nicht-Erfolg kein Weg vorbeizuführen. Jetzt aber, mit 70 Jahren, führt ihn der Weg nach New York, ins Guggenheim. An diesem Donnerstag eröffnet er dort, im Herzen der internationalen Kunstwelt, eine Ausstellung, deckenhoch angefüllt mit Feldmannscher Einfachheit.' Dies sind die treffenden Worte, mit denen die Wochenzeitung 'Die Zeit' bereits im Mai 2011 den 'genialen Hans-Peter Feldmann' würdigt, dessen leise, aber um so faszinierendere Kunst erst in den vergangenen Jahren die internationale Bühne erreicht hat. Für den stillen Beobachter Feldmann, der einen Großteil seines Tages im Düsseldorfer Eiscafé 'Dolce Vita' verbringt, das über die Jahre zu einem zweiten Zuhause und Atelier geworden ist, sind Bilder mediale Repräsentanten visualisierter Erinnerungen. Er bedient sich aus dem unendlichen Fundus öffentlicher Bilder, arbeitet mit eigenen Fotografien und gefundenem Material, das er sich durch gezielte künstlerische Eingriffe oder neue Arrangements aneignet und in sein poetisches Œuvre einreiht. Feldmanns Arbeiten schaffen auf diese Weise Raum für eigene Erinnerungen, Assoziationen, Sehnsüchte, und so schwingt wie auch in 'Zwei Mädchen mit Schatten' oftmals ein Hauch von Melancholie mit. Durch den künstlerischen Eingriff des Scherenschnitts werden die Kinder zu allgemeinen Repräsentanten der Kindheit und somit zu Katalysatoren für tief verborgene, ganz persönliche Erinnerungsbilder von unbeschwerten Kindheitstagen. Feldmanns Werke sind in zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten, wie unter anderem im Guggenheim Museum, New York, in der Pinakothek der Moderne, München, im Fotomuseum Winterthur sowie in den Deichtorhallen Hamburg. [JS] Aufrufzeit: 19.06.2021 - ca. 17.43 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONHans-Peter Feldmann -1941 Düsseldorf - lebt und arbeitet in Düsseldorf Zwei Mädchen mit Schatten. 1999. Photography. Silver gelatine proof with cutout, in plexiglass box. Ca. 92 x 59 cm (36.2 x 23.2 in). • The reinterpretation of the image's content through minimal intervention in the subject is Hans-Peter Felmann' preferred approach. • In 2015 the Städtische Galerie im Lenbachhaus acquired the comprehensive installation 'Laden 1975-2015'. • As a conceptual photo artist, Hans-Peter Feldmann also works with found photos. • He showed works at documenta 5 and 6, as well as at the 2003 Venice Biennial. 'Looking at a photo your own memories come to your mind“ (https://www.kunstforum.de/artikel/hans-peter-feldmann-2/) Called up: June 19, 2021 - ca. 17.43 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 62

Heinrich Vogeler - - 1872 Bremen - 1942 Karaganda (Kasachstan) Birken am Barkenhoff. 1913. Öl auf Malpappe. Noltenius 150 (Hügel mit weißen Birken). Links unten bezeichnet 'H [Wappen] V' und datiert. 54,5 x 42 cm (21,4 x 16,5 in). PROVENIENZ: Privatbesitz Nordrhein-Westfalen (1913 direkt vom Künstler erworben, seither in Familienbesitz). AUSSTELLUNG: Heinrich Vogeler. Kunstwerke, Gebrauchsgegenstände, Dokumente, Staatliche Kunsthalle Berlin / Kunstverein Hamburg 1983, Kat.-Nr. 555, S. 278 (Nachtrag). Der Barkenhoff ist die durch mehrere Umbauten nach der Vorstellung Heinrich Vogelers als Gesamtkunstwerk gestaltete Wohn- und Wirkunsstätte des Künstlers. Als jüngster und letzter Künstler schließt er sich 1894 der Malerkolonie in Worpswede an, zu deren ersten Mitgliedern sein Studienkollege aus Düsseldorfer Akademiezeiten, Fritz Overbeck, gehört. In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Malern Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn, die sich seit 1889 in Worpswede aufhalten, erwirbt Vogeler 1895 ein kleines reetgedecktes Haus, das er nach und nach mit architektonischen Elementen von Jugendstil und Biedermeier seinen Idealvorstellungen anpasst. Nach dem angrenzen kleinen Birkenwald erhält das idyllisch am Weyerberg gelegene Haus seinen Namen „Barkenhoff“ und wird zum künstlerischen und gesellschaftlichen Mittelpunkt der Kolonie. Lichterfüllt, durchlässig für Atmosphäre und Luft und malerisch umgeben von einem mit lyrischem Zauber erfüllten Garten, darin ein kleiner Teich mit baumbestandener Insel, empfängt der „Weiße Saal“ Künstler, Schriftsteller, Musiker und Intellektuelle. Gäste und Freunde Vogelers wie Rainer Maria Rilke, Clara Rilke-Westhoff, Hans Bethge, Carl und Gerhard Hauptmann oder Max Reinhardt lassen das Idealprojekt eines Musenhofes für einige Zeit Realität werden. Vogeler selbst begreift den Barkenhoff als Ort seiner Seele, in zahlreichen Radierungen, Gemälden und Zeichnungen wird seine Identifikation mit dem birkenumstandenen Haus künstlerisch sichtbar. Eine ähnliche Verschmelzung von Idealvorstellung und Realität, Kunst und Leben prägt auch den Blick auf seine Frau Martha Schröder. Kurz nach seiner Ankunft in Worpswede, beim Malen mit den andern Künstlern auf dem Weyerberg, da „… kam aus dem Eichengebüsch ein hellgekleidetes, schlankes blondes Mädchen mit hängendem Zopf. Auf der Hand trug sie eine zahme Elster. [.] Der Eindruck dieser jungen elastischen Mädchengestalt wirkte auf mich wie etwas tief in mein Leben eingreifendes.“ (zit. nach Heinrich Vogeler, Werden. Erinnerungen, Berlin 1989, S. 32). Ihre schlanke helle Schönheit und melancholische Zartheit verschmilzt für Vogeler mit der der Birken, den jungen, frühlingshaft zarten Bäumen. Der unbeholfene junge Mann nähert sich ihr in der Folge malerisch mit Porträts und lyrischen Szenen, immer wieder positioniert er sie zwischen den schlanken Birken der Moorlandschaft. Für Paula Modersohn-Becker, mit der ihn eine tiefe Freundschaft verbindet, ist es im Gemälde „Frühling“ von 1897 (Haus im Schluh, Worpswede) berührend zu sehen „[…] wie dieser junge Kerl seine drängenden Frühlingsträume in diese gemessene Form kleidet“, in seinem symbolhaften „Frühlingsbild, Birken, zarte junge Birken mit einem Mädchen dazwischen, die Frühling träumt.“ (zit. nach Paula Modersohn-Becker, Briefe und Tagebuchblätter, hrsg. von S.D.Gallwitz, Berlin 1920, S. 24). Auch Rainer Maria Rilke, den Vogeler 1898 in Florenz kennengelernt hatte und mit dem er die Verehrung für die Kunst der Renaissance, vor allem Sandro Botticellis, teilt, spürt die Symbolkraft dieser Jahreszeit, die so zentral ist für das Wiedererwachen der Liebe und der Künste: „Eine keusche Kühle ist in ihren Madonnen und die herbe Kraft junger Bäume in ihren Heiligen. Die Linien sind alle wie Ranken, die irgendetwas Heiliges umschließen, und die Gesten der Gestalten sind zögernd, lauschend, einer zögernden Erwartung voll – sie sind alle von der Sehnsucht geweiht“ (Rainer Maria Rilke, Das Florenzer Tagebuch, Frankfurt a.M. 1982, S. 54). In ähnlich naturlyrischem Ausdruck verfasst Rilke wenig später auch den Weihespruch, den Vogeler am Nordgiebel des Barkenhoffs anbringen lässt. Seit Beginn seiner Worpsweder Zeit beeindrucken die Landschaften Otto Modersohns den jungen, schwärmerischen Vogeler mit ihrem „smaragdgrünen, blumigen Frühling der Wiesen und die weißen Birkenstämme im Moor“ (zit. nach Heinrich Vogeler, Werden. Erinnerungen, Berlin 1989, S. 30) - eine Farbstimmung die sich in der bräunlich-violetten und zugleich türkisgrünen, facettenreichen impressionistischen Farbigkeit unseres Bildes gehalten hat. Im sonst eher märchenhaft-erzählerischen Werk Vogelers sieht man sich nunmehr dem beredten Schweigen der Birkenstämme gegenüber. Aufeinander zuwachsend und wieder auseinanderweichend scheinen die Stämme als Metapher des gescheiterten Liebesideals zu figurieren.1909 hatte sich Martha in den Jurastudenten Ludwig Bäumer verliebt. Qualvolle Jahre beginnen für Vogeler, der zunächst versucht, eine ménage à trois zu erdulden, während sich das Paar mehr und mehr entfremdet. 1914 bedeutet nicht nur das endgültige Scheitern der Ehe mit Martha ein tragisches „Ende der Romantik“ (Vogeler, Werden, S. 215). [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 18.21 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONHeinrich Vogeler -1872 Bremen - 1942 Karaganda (Kasachstan) Birken am Barkenhoff. 1913. Oil on cardboard. Noltenius 150 (Hügel mit weißen Birken). Lower left inscribed 'H [Wappen] V' and dated. 54.5 x 42 cm (21.4 x 16.5 in). PROVENANCE: Private collection North Rhine-Westphalia (acquired from the artist in 1913, ever since family-owned). EXHIBITION: Heinrich Vogeler. Kunstwerke, Gebrauchsgegenstände, Dokumente, Staatliche Kunsthalle Berlin / Kunstverein Hamburg 1983, cat. no. 555, p. 278 (addenda). Called up: June 17, 2021 - ca. 18.21 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 72

Edward Theodore Compton - - 1849 London - 1921 Feldafing Gletscherplateau. 1906. Öl auf Leinwand. Rechts unten signiert und datiert. 60,5 x 110 cm (23,8 x 43,3 in). • Imposantes, großformatiges Gemälde der unberührten Bergwelt. • Compton gelingt es, Faszination und Gefahr der unwirtlichen Landschaft einzufangen. • In der Reduktion der Farbigkeit auf die silbrigen Weiß-, Grau- und Blautöne von Schnee, Gestein und Wolken ungemein farbharmonisches Werk. Wir danken Frau Sibylle Brandes, Tutzing, für die freundliche Auskunft. PROVENIENZ: Privatsammlung New York (in den 1960er Jahren in Großbritannien erworben, seither in Familienbesitz). Zu Comptons großartigsten Bildern gehören ohne Zweifel seine überwältigenden Gletscherpanoramen. Um 1906 ist der begeisterte Alpinist in den Walliser Alpen unterwegs und malt dort unter anderem am Gornergletscher im Monte-Rosa-Massiv. Schwindelerregend abschüssig und von tiefen Gletscherspalten durchsetzt, bildet die jahrtausendealte und meterdicke Eisschicht das zentrale Motiv des Gemäldes, in dem sich die Betrachter:innen unmittelbar im eisigen Hang wiederfinden. Hier entfaltet Compton sein ganzes variantenreiches malerisches Können: Im pastosen Auftrag mit dem Malmesser modelliert er in von weißen über leicht rosaviolett getönte bis hin zu türkisen und graublauen Nuancen die harsche Oberfläche und die schroffen Abbruchkanten, glatte Pinselstriche deuten rutschige Partien an. Kompositorisch geschickt setzt Compton Nahsicht gegen Fernsicht, wenn sich in der Weite hinter dem Gletscher ein tiefes, im Schatten liegendes Tal und dahinter wiederum in durchdachter Lichtregie eine sonnenbeleuchtete Bergspitze in die dunstigen Wolken erhebt. Seine Leidenschaft für die Berge ist einer Reise in die Schweizer Alpen Ende der 1860er Jahre zu verdanken. Im „Goldenen Zeitalter“ des Alpinismus der 1850er und -60er Jahre ist Compton ebenfalls von Entdeckergeist und sportlicher Herausforderung ergriffen, die ihm auch als Maler eine einzigartige Stellung verleihen. Immer auch als Dokumentation seiner eigenen Erfolge, Strapazen und Wagnisse sind seine Werke die ersten malerischen Interpretationen der unwirtlichen, bizarren Landschaft in großer Höhe, die jedoch anders als die ebenso bei solchen Expeditionen eingesetzte Fotografie über weit mehr Ausdrucksvermögen und persönliche Gestaltungskraft verfügen. Zu spüren ist in seinen Werken die Erhabenheit und Grandiosität dieser einzigartigen Landschaft, deren Schönheit mit Respekt und Achtsamkeit begegnet werden muss, da sie sich sonst innerhalb von Augenblicken gegen einen wendet. Als Mitglied, Zeichner und Illustrator des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins sowie des Royal Alpine Club konnte Compton leider nicht mehr miterleben, dass 2019 der Alpinismus - charakterisiert durch Eigenverantwortung, Solidarität mit anderen und Respekt vor der Natur - von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 18.34 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird differenzbesteuert, zuzüglich einer Einfuhrumsatzabgabe in Höhe von 7 % (Ersparnis von etwa 5 % im Vergleich zur Regelbesteuerung) oder regelbesteuert angeboten (N).ENGLISH VERSIONEdward Theodore Compton -1849 London - 1921 Feldafing Gletscherplateau. 1906. Oil on canvas. Bottom right signed and dated. 60.5 x 110 cm (23.8 x 43.3 in). • Impressive large-format painting of the pristine mountains. • Compton succeeds in capturing the fascinating atmosphere of the inhospitable landscape. • An extremely harmonious work with the colors reduced to the silvery white, gray and blue tones of snow, rocks and clouds. We are grateful to Mrs Sibylle Brandes, Tutzing, for her kind support in cataloging this lot. PROVENANCE: Private collection New York (acquired in the UK in the 1960s, ever since family-owned). Called up: June 17, 2021 - ca. 18.34 h +/- 20 min. This lot can be subjected to differential taxation plus a 7% import tax levy (saving approx. 5 % compared to regular taxation) or regular taxation (N).

Lot 74

Josef Stoitzner - - 1884 Wien - 1951 Bramberg im Pinzgau (Land Salzburg) Schneeschmelze. Um 1920. Öl auf Leinwand. Rechts unten signiert. 55 x 69 cm (21,6 x 27,1 in). Wir danken Herrn Prof. Dr. Jakob Wirz, Enkel des Künstlers, für die freundliche Auskunft. Das Werk wird unter der Nummer Nr. WVJS 1.3.72 in das Werkverzeichnis aufgenommen. PROVENIENZ: Privatsammlung Wien. Privatsammlung Süddeutschland (2000 vom Vorgenannten erworben). Im Werk Josef Stoitzners ist die Zeit der Schneeschmelze für den ursprünglich als Grafiker ausgebildeten Maler von besonderem Interesse, da hier weiße und farbige Bereiche gegenübergestellt werden können und der Bildfläche so ein interessantes Wechselspiel verleihen. Die reduzierte Farbpalette unterstützt dabei den raumplastischen Eindruck, indem sich eine Hügelwölbung vor die andere legt und Baumgruppen und Scheunen die Mitte des Bildraums akzentuieren. In Stoitzners Bildern fasziniert vor allem die Gleichzeitigkeit von direkt der Natur entnommenen Ansichten und deren Eignung für ein stilisiertes Bildgefüge, wodurch diese fast wiederum wie arrangiert wirken. [KT] Aufrufzeit: 17.06.2021 - ca. 18.37 h +/- 20 Min. Dieses Objekt wird regel- oder differenzbesteuert angeboten.ENGLISH VERSIONJosef Stoitzner -1884 Wien - 1951 Bramberg im Pinzgau (Land Salzburg) Schneeschmelze. Um 1920. Oil on canvas. Signed in lower right. 55 x 69 cm (21.6 x 27.1 in). W are grateful to Prof. Dr. Jakob Wirz, the artist's grandson, for his kind support in cataloging this lot. The work will be included into the catalog raisonné with the number WVJS 1.3.72. PROVENANCE: Private collection Vienna. Private collection Southern Germany (acquired from aforementioned in 2000). Called up: June 17, 2021 - ca. 18.37 h +/- 20 min. This lot can be purchased subject to differential or regular taxation.

Lot 3740

Cha, Ouhi (geb. 1945 Busan/Südkorea) " A SHIP OF ODYSSEY", so verso betitelt, sign. und dat. 1991. Mischtechnik/Collage (stärkere Fehlteile, da Papiercollage ausgetrocknet) auf Lwd., re. u. sign. und dat. (19)91. 130,3x 123,3 cm. Schwarze Holzleiste.

Lot 702

Art Deco-Deckelterrine. Silber (mindestens 826/000), brutto 920 g (da geschnitzte Holzgriffe). Schlichte Form mit gehämmertem Dekor, godronierter Rundsockel. Deckel mit blütenähnlicher Bekrönung. Gebrauchsspuren. Beschaumeister C. F. Heise, Qualitätsstempel "Landsforeningen Dansk Arbejde" und Beschau Copenhagen, mit Dat. (19)19. D. 30 cm.

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